Pekings Präpotenz als politischer Reflex

Jeder Auftritt des Dalai-Lama ist Kommunisten ein Dorn im Auge.

Richard Gere, deklarierter Buddhist, hofierte den Dalai-Lama, und auch Valerie Jarrett, Barack Obamas Beraterin, zeigte sich vertraut mit dem Friedensnobelpreisträger und der Symbolfigur der Tibeter. Nur der andere Friedensnobelpreisträger im Saal des National Prayer Breakfast in Washington vermied den körperlichen Kontakt mit dem heiligmäßig verehrten Mönch. Der US-Präsident richtete zwar ein herzliches Grußwort an „einen guten Freund“, für ein Shakehands oder ein gemeinsames Foto in der Öffentlichkeit wollte er sich indessen nicht hergeben, um Peking nicht zu provozieren.

Dies zeugt von diplomatischem Kalkül, nicht jedoch von der Souveränität des vermeintlich mächtigsten Mannes der Welt. Obama pflegt den Dalai-Lama auch nicht wie andere Staatsgäste im Oval Office zu empfangen, sondern in einem stillen Kämmerlein des Weißen Hauses. Das gehört zur stillen Übereinkunft Washingtons mit Chinas. Und trotzdem protestierte Peking so dreist wie präpotent gegen den freundlichen Umgang mit dem Oberhaupt der Tibeter – ein politischer Reflex, um Staats- und Regierungschefs nur ja nicht auf falsche Gedanken zu bringen. Als Südafrika dem Dalai-Lama unlängst die Einreise zu einer Konferenz verweigerte, protestierte Erzbischof Desmond Tutu – die einzig richtige Reaktion auf den vorauseilenden Gehorsam.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2015)

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