Spiel mit Dialekt, mit Identität

Da werden Gabalier-Fans aufjaulen: Rapper Nazar versteht nicht, dass die Band Folkshilfe unter den sechs österreichischen Finalisten für die Teilnahme am Song Contest ist.

Der Dialekt, meint der in Favoriten aufgewachsene gebürtige Iraner, passe nicht für internationales Publikum: „Mundart gehört in Festzelte.“

Da müssen sich auch H.-C.-Artmann-Fans empören: Mundart gehört grundsätzlich genauso in die Kunst wie ins Festzelt (die Frage ist eher, ob der Song Contest zur Kunst gehört).

Allerdings ist die Mundart als Kunst in Österreich ziemlich vergessen. Kein Wunder, wenn sich sogar Austropop-Größen wie Georg Danzer, einst von Qualtinger und Artmann inspiriert, im Alter davon distanzierten. „Heute würde ich allen Jungen davon abraten. Im Dialekt singen, das ist etwas für die Großväter“, sagte er der „Presse“.

Vom oberösterreichischen Dialekt, in dem die Folkshilfe singt, hat sich auch Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder seinerzeit radikal distanziert – in der Schule trainierte er ihn sich systematisch ab. „Antimodern und zutiefst nationalsozialistisch vergiftet“ sei ihm diese Art zu reden damals erschienen, erzählte er in einem Interview. Und erst kürzlich erklärte ein deutscher Musiker, er wolle doch ernste Musik machen – „das geht doch nicht im Dialekt“.

Wirklich? Für des Deutschen nicht mächtige Hörer hört sich ein deutscher Dialekt nicht so anders an als die Hochsprache. Vorurteile lassen ihn lächerlich erscheinen, wer Sprache nicht versteht, hört sie unvoreingenommen, als Klang. Mit diesem Klang lässt sich spielen, kunstvoll oder nicht. Hörer lechzen nach dem Unterscheidbaren, der besonderen Identität. Das hat der Song Contest vergangenes Jahr mit Conchita Wurst demonstriert. Warum sollte das nicht auch im Dialekt funktionieren?

anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2015)

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