Ein Abkommen, das besser ist als gar keines

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Die Alternativen zu dem Abkommen wären schlechter gewesen. Es wäre aber naiv zu glauben, dass sich das Regime in Teheran nun wandelt.

Für die Iraner hat sich das lange Warten ausgezahlt. Sie können das Wiener Atomabkommen als vollen Erfolg feiern. Der Iran ist nicht nur die Wirtschaftssanktionen los, sondern auch seinen internationalen Paria-Status. Die Zugeständnisse, die Teheran im Gegenzug machen musste, sind verhältnismäßig geringfügig, und vor allem auch zeitlich befristet. Zehn bis 15 Jahre lang muss die Islamische Republik die Infrastruktur ihres Atomprogramms reduziert halten, darf ihr Uran nicht mehr ganz so hoch anreichern, darf weniger Zentrifugen laufen lassen und muss ihren Reaktor in Arak umbauen.

Diese Einschränkung sowie Kontrollen der Atomenergiebehörde sollen sicherstellen, dass der Iran keine Nuklearbombe baut. Gleichzeitig bleibt der Iran jedoch eine atomare Schwellenmacht. Experten schätzen, dass die Iraner zwölf Monate brauchen, wenn sie aus dem jetzigen Korsett ausbrechen, ihre Anlagen wieder hochfahren und doch eine Massenvernichtungswaffe bauen. Zumindest dieses eine Jahr „Breakout“-Zeit wollte die internationale Gemeinschaft mit dem Abkommen erreichen, um rechtzeitig reagieren zu können, falls der Iran anfängt, an der Bombe zu basteln. Vorausgesetzt natürlich, man kommt dem Iran auf die Schliche.

Israels Bedenken sind nachvollziehbar

Dass Israel sich nach dieser Vereinbarung nicht sicherer fühlt, ist nachvollziehbar. Es wollte einen kompletten Stopp der iranischen Urananreicherung erzielen, wie das vor einigen Jahren auch noch der UN-Sicherheitsrat gefordert hatte. Doch so war keine Einigung zu erzielen: Der Iran pochte auf sein Recht, Uran für zivile Zwecke anzureichern.

Das nunmehrige Abkommen ist ein Kompromiss, zu dem es schlechtere Alternativen gegeben hätte. Militärisch wäre die Angelegenheit nicht zu lösen gewesen: Ein Bombardement der iranischen Nuklearanlagen hätte Teheran nur vorübergehend zurückgeworfen, den Nahen Osten aber in ein noch tieferes Chaos gestürzt. Möglich wäre auch gewesen, die Verhandlungen abzubrechen und dem Iran noch härtere Daumenschrauben anzusetzen. Das jedoch hätte dazu führen können, dass die Mullahs ihre nuklearen Ambitionen erst recht forcieren.

Das Leitmotiv der Verhandler: "Hinter uns die Sintflut"

Der jetzige Deal ist besser als keiner. Doch Illusionen sollte sich niemand hingeben. Im Endstadium der ermüdenden Verhandlungen dürfte eines der Leitmotive ungefähr so gelautet haben: „Hinter uns die Sintflut“. Nicht nur das Abkommen hat eine Ablauffrist, auch das Waffen- und Raketenembargo bleibt lediglich fünf respektive acht Jahre aufrecht. Danach können sich die Mullahs wieder nach Belieben eindecken auf den Rüstungsmärkten. Geld genug werden sie zur Verfügung haben, denn die Ölquellen werden nach Aufhebung der Sanktionen wieder üppig sprudeln.

Besonders naiv jedoch wäre es zu glauben, dass sich das Regime nach dem Abkommen wandelt. Das wird weder auf innen- noch auf außenpolitischer Ebene passieren. Noch während der Verhandlungen in Wien stellte Revolutionsführer Khamenei klar, dass der Kampf „gegen die globale Arroganz der USA“  weitergehe. Und Ex-Präsident Rafsandjani, der vielen als gemäßigt gilt, weil er am Geschäft interessiert ist, kündigte die baldige Auslöschung Israels an. Darüber regte sich dann niemand mehr auf, denn man wollte ja ein Abkommen mit dem Iran.

Und so schön sich manche einen Grand Bargain mit dem Iran im Nahen Osten ausmalen, auch dazu wird es kaum kommen. Die Islamische Republik verficht beinhart ihre Interessen. Sie stützt den syrischen Diktator, schürt den Krieg im Jemen und füttert die Feinde Israels durch – von der libanesischen Hisbollah bis zur palästinensischen Hamas.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

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