Hellmuth Karasek, früher „Spiegel“-Kulturchef, im „Literarischen Quartett“ des Öfteren von Marcel Reich-Ranicki (1920–2013) rhetorisch überrollt, hat ein ungewöhnliches Betätigungsfeld gefunden.
Hellmuth Karasek, früher „Spiegel“-Kulturchef, im „Literarischen Quartett“ des Öfteren von Marcel Reich-Ranicki (1920–2013) rhetorisch überrollt, hat ein ungewöhnliches Betätigungsfeld gefunden: Karasek rezensiert den neuen Ikea-Katalog im Stil des „Literarischen Quartetts“. Die Kritik fällt erwartungsgemäß vernichtend aus, man kann sie auf YouTube sehen: Ein „möblierter Roman“, „voll gemüllt mit Gegenständen“ sei das Werk über „Die kleinen Freuden des Alltags“ mit einer sagenhaften Auflage von 220 Millionen „das meist verbreitete Buch der Welt“. Karasek „zerreißt“ es, bedächtig und brillant, ohne Reich-Ranickis barocken Furor.
Der 81-Jährige mit dem undurchdringlichen Eulenspiegel-Gesicht ist Reich-Ranicki an Selbstironie überlegen. Ob er das Zeug hat, die Nachfolge des Literaturpapstes anzutreten, ist Karasek wohl inzwischen egal. Als Literaturpapst bei Ikea zitiert er in diesem köstlichen Werbespot Freud und Goethe. Der Sketch ist ein toller Streich der Schweden. Warum wird Wiener Lifestyle nicht ähnlich genial vermarktet? Ikea offeriert mit seinen Produkten eine Lebensform. Eine holde Illusion.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2015)