Die Kanzlerin konnte sich dem Automatismus nicht entziehen.
Halbherzig und auf leisen Sohlen, ohne Pomp und Pathos marschiert Deutschland in den Krieg gegen die islamistischen Terrorbrigaden in Syrien. Anders als die martialischen Briten, die nur Stunden nach dem Sanktus durch das Parlament losschlagen, starten die deutschen Tornados erst im Jänner mit Aufklärungsflügen ihre Mission. Die Bundeswehr liefert innerhalb der Anti-IS-Allianz nicht mehr als Schützenhilfe. Am liebsten hätte es Deutschland bei Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga-Milizen belassen.
Von Krieg wollte in der Koalition in Berlin keiner sprechen, allenfalls von einem Einsatz. Auch in der Bundestagsdebatte hielten sich die Kanzlerin und ihre Minister, anders als ihre Kollegen in London, bewusst zurück. Sie wollten die deutsche Beteiligung nicht an die große Glocke hängen. In der Öffentlichkeit schickte Angela Merkel dann auch Verteidigungsministerin von der Leyen und Außenminister Steinmeier vor, die im Vorjahr eine Lanze für eine aktive Außenpolitik Berlins gebrochen hatten.
All dies hat mit der pazifistischen Tradition des Landes nach der unseligen Nazi-Ära zu tun, aber auch mit der Kriegsskepsis der Kanzlerin. Als sie sich 2003 als Oppositionsführerin in Washington für den Irak-Krieg starkmachte, unterstellten ihr ihre Gegner Kriegstreiberei. Seither scheut sie kriegerische Abenteuer. Den Afghanistan-Krieg erbte sie von der rot-grünen Koalition. In Libyen verweigerte sie eine Intervention durch Stimmenthaltung im UN-Sicherheitsrat, was ihr zunächst viel Kritik einbrachte.
Diesmal konnte Merkel nicht zurückstehen und sich aus der Verantwortung stehlen. Der Automatismus der Solidaritätserklärungen mit Frankreich zog Deutschland wie durch einen Sog in einen Krieg, von dem die Kanzlerin nicht überzeugt ist. Es ist ihr erster eigener Krieg, und ihr Schweigen ist beredt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2015)