Jetzt muss Teheran mit Argusaugen beobachtet werden

Der Iran bleibt trotz Deals vorerst der Iran: ein skrupelloses Regime.

Keine Frage – der Deal mit dem Iran gehört zu den größten Errungenschaften der nicht wirklich glorreichen internationalen Nahost-Diplomatie der vergangenen Jahre. Das Ende der iranischen Isolation birgt große Chancen: für westliche Investoren, die sich bereits seit Monaten im Iran die Klinke in die Hand geben, um von der Öffnung zu profitieren. Für die von jahrelanger Wirtschaftskrise geplagten Iraner, die sich durch das Ende des Embargos einen ordentlichen Aufschwung und vielleicht auch endlich interne Veränderungen erwarten dürfen; für die moderaten Kräfte rund um Präsident Hassan Rohani in ihrem Machtkampf mit Hardlinern. Und vielleicht sogar für die verfahrene Nahost-Politik: Teheran, als zentraler Verbündeter des syrischen Assad-Regimes, kann nun als rehabilitierter Global Player konstruktiv in eine Lösung des syrischen Bürgerkrieges eingebunden werden.

Aber gerade jetzt, zu Beginn der neuen Ära, ist im Westen Nüchternheit notwendig: Der Iran bleibt vorerst der Iran – ein radikal-islamisches Regime, das Frauen unterdrückt, Dichter einsperrt, Kritiker und Andersdenkende ermordet. Eine Diktatur, die skrupellose Machtpolitik betreibt: Extremisten wie die Hisbollah mit Geld und Waffen unterstützt, oder schiitische Rebellen vom Jemen bis zum Irak aufrüstet und zur Destabilisierung der Region beiträgt.
Der Verdacht liegt nahe, dass die reibungslose und schnelle Erfüllung der Atomdeal-Bedingungen auch aus pragmatischen Gründen erfolgte: Rohani wollte die verhassten Sanktionen schleunigst loswerden, um seine moderaten Kräfte vor der Parlamentswahl Ende Februar zu stärken. Hauptmotivation für den Verzicht auf Teile des Nuklearprogramms ist weniger der Wille zur friedlichen Entwicklung als die Perspektive auf künftigen Reichtum: Ein wirtschaftlich boomender Iran wird zweifellos noch stärker nach regionaler Hegemonie streben.
Die neue Ära bietet Chancen auf Öffnung und Veränderung – birgt aber auch viele Risken: Deshalb sollte jetzt jeder Schritt Teherans mit Argusaugen beobachtet werden.

susanna.bastaroli@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2016)

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