Majestätsbeleidigung auf türkisch

Wie ein Straßenboxer hat sich Recep Tayyip Erdoğan mit beinahe jedem angelegt, der sich ihm in den Weg stellt.

Wie ein Straßenboxer hat sich Recep Tayyip Erdoğan, der „anatolische Putin“, mit beinahe jedem angelegt, der sich ihm in den Weg stellt – mit den unbequemen Journalisten von „Cumhuriyet“, dessen Chefredakteur prompt im Gefängnis landete; mit den Kurden und der PKK; mit der einflussreichen Bewegung seines einstigen Fürsprechers, Fethullah Gülen; mit Nachbarn und Regionalmächten inklusive Israel; und nicht zuletzt mit Wladimir Putin selbst, seinem autokratischen Bruder im Geist.

Womöglich hat Erdoğan den Bogen nun überspannt, als er dem Nationalhelden Hakan Şükür die rote Karte androhte - eine vierjährige Haftstrafe wegen angeblicher „Majestätsbeleidigung“. Die Fußballikone, ein Anhänger Gülens und bis zum Bruch vor zwei Jahren Abgeordneter der Regierungspartei AKP, hatte es gewagt, den „Sultan“ via Twitter öffentlich zu kritisieren.

Wenn sich Erdoğan in seiner Hybris nur nicht verspekuliert hat. Als Klublegende von Galatasaray, als "Bulle vom Bosporus" und als Mittelstürmer im Nationalteam, der die Türkei 2002 zum dritten WM-Platz schoss, genießt Şükür große Popularität - nicht nur bei Fußballfans, wie Erdoğan selbst einer ist. Dass sich selbst Fans der Galatasaray-Rivalen Beşiktaş und Fenerbahçe auf Şükürs Seite stellen, verheißt angesichts der Fußball-Leidenschaft der Türken durchaus eine Gefahr für Erdogan.

thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2016)

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