Gute Diktatur

Etwas eingefroren wirkte Christoph Leitls Lächeln, als Wladimir Putin 2014 über ihn scherzte.

„Diktatur“, rief der selbst langdienende russische Staatsmann, nachdem Leitl betont hatte, dass er seit seinem Amtsantritt als Wirtschaftskammer-Chef im Jahr 2000 Putin schon dreimal empfangen durfte. „Aber gute Diktatur“, setzte Putin lächelnd nach.

Es könnten sich noch weitere Empfänge ausgehen. Leitl wurde am Samstag mit90,1 Prozent zum fünften Mal als Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes, der traditionell den Kammerpräsidenten stellt, gewählt. Leitls Amtszeit ist für politische Funktionäre nichts Ungewöhnliches. Man denke nur an Landeshauptleute, die jahrzehntelang im Amt bleiben.

Nun sind frei gewählte Amtsträger keine Diktatoren. Und doch hat Putins Witz ein Körnchen Wahrheit. Wenn man den Verbleib in Spitzenämtern zeitlich begrenzen würde – sei es in Kammern, Parteien, Bund oder Land –, würde das frischen Wind bringen. Die Angst, durch Reformen bei der immer nächsten Wahl das Amt zu verlieren, könnte fallen. Und niemand müsste sich mehr gegen den Eindruck wehren, als „guter Diktator“ immer schon im Amt gewesen zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2016)

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