Die Traumfabrik liebt die altmodischen Filmtugenden

Die heurigen Oscars: typisch für eine stagnierende Veranstaltung.

Manchmal blickt man als Filmliebhaber neidisch in die Welt des Sports: Niemand wird etwa bestreiten, dass die Siegermannschaften der Champions League tatsächlich zur Fußball-Weltspitze gehören. Sie ist nicht nur Event, sondern auch Gradmesser für Qualität. Von den Oscars kann man das nicht behaupten. An ihnen lassen sich genau drei Dinge ablesen: Wer in Hollywood gerade hoch im Kurs ist, wie die Traumfabrik nach außen hin dastehen will, und welche Filme den Geschmack eines verknöcherten Academy-Gremiums treffen, dessen Mitglieder zu 94 Prozent weiß, zu 77 Prozent männlich und im Durchschnitt 62 Jahre alt sind.

Das homogene Wahlkomitee trägt zur Vorhersehbarkeit der Oscar-Preispolitik bei. Daran hat sich auch heuer nicht viel geändert. Was bei den Buchmachern gute Chancen hatte, gewann in fast allen Fällen tatsächlich. Wirkliche Überraschungen gab es nur zwei: den Preis für den besten Nebendarsteller an Mark Rylance als Sowjetspion in Steven Spielbergs „Bridge of Spies“ – Favorit war Sylvester Stallone. Und beim besten Film verhinderte der Sieg des Aufdeckerjournalisten-Dramas „Spotlight“ einen ungebremsten Goldregen für „The Revenant“. Richtige Außenseiter waren aber weder Rylance noch „Spotlight“. Und auch sie bestätigen die Haltung der Academy, beide stehen für altmodische Kinotugenden: gediegenes, kontrolliertes Schauspiel und dialoglastiges, themenbezogenes Drama. Die Statuetten sind nicht unverdient – aber insbesondere beim besten Film gab es wesentlich spannendere Optionen. Allen voran George Millers Actionfeuerwerk „Mad Max: Fury Road“, das wie erwartet mit (immerhin sechs) Preisen in den technischen Kategorien abgespeist wurde.

Ein Oscar-Triumph für Genrekino scheint nach wie vor undenkbar – es sei denn, man nimmt eine B-Movie-Geschichte und bläht sie auf zu 160 Minuten voller Leidenspathos und Landschaftspornografie, wie in „The Revenant“ (Bester Schauspieler, Beste Regie, Beste Kamera). Dieser hat den Hauptpreis wohl nur nicht gewonnen, weil es nach dem „Birdman“-Abräumer im Vorjahr der zweite Erdrutschsieg für Regisseur Alejandro G. Iñárritu gewesen wäre. Sein Kameramann Emmanuel Lubezki darf sich indes zum dritten Mal in Folge über einen Oscar freuen: typisch für eine stagnierende Veranstaltung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2016)

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