Nur eine breite parlamentarische Debatte kann solchen Verträgen angesichts der großen Skepsis in der Bevölkerung noch eine Chance geben.
Ceta, das ausverhandelte Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, ist nicht des Teufels, wie viele seiner Gegner behaupten. Es nimmt auf zahlreiche europäische Besonderheiten wie das Verbot von hormonbehandeltem Rindfleisch Rücksicht. Es umfasst aber auch umstrittene Elemente wie Schiedsgerichte. Der Versuch der EU-Kommission, dieses Abkommen ohne Abstimmung in den nationalen Parlamenten zu ratifizieren, ist dennoch ein fatales Signal.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der befürchtet, dass sonst kein Handelsabkommen mehr realisierbar ist, bestätigt damit nur Vorurteile von einem Brüsseler Zentralismus – und das ohne Not. Zwar ruderte die Kommission am Mittwoch wieder zurück. Ihr unsensibles politisches Spiel könnte aber fürs Erste dazu führen, dass letztlich nicht nur Ceta, sondern auch das Handels- und Investitionsabkommen mit den USA, TTIP, für immer in den Aktenschränken an der Rue de la Loi verschwinden muss.
Vielleicht war es der nicht besonders lautere Versuch, mitten in der schwersten Krise der Gemeinschaft durch den Brexit ein heikles Thema durchzuboxen. So nebenbei, weil alle woanders hinsehen. Jedenfalls war es ein kommunikatives Desaster. Es wird den immer radikaleren EU-Gegnern neue Munition liefern.
Juncker mag glauben, dass er Ceta durchboxen muss, um TTIP zu retten. Es ist freilich umgekehrt. Wenn er Ceta nicht auf glaubwürdige, demokratische Basis stellt, wäre das der Todesstoß für TTIP – das übrigens auch nicht des Teufels ist, wie viele seiner Gegner meinen. Es ist zudem noch gar nicht ausgehandelt. Nur eine breite parlamentarische Debatte kann solchen Verträgen angesichts der großen Skepsis in der Bevölkerung noch eine Chance geben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)