Der Abend von Michelle Obama

Was zu erwarten war, geschah an diesem ersten Tag der demokratischen Parteikonferenz in Philadelphia: Bernie Sanders sprach seiner einstigen Konkurrentin Hillary Clinton wortreich und gewunden seine Unterstützung aus.

Bernie Sanders' Anhänger verarbeiteten ihren Schmerz darob, doch keinen politischen Revolutionär ins Weiße Haus einziehen zu sehen, mit kindischen Buhrufen. Elizabeth Warren und Cory Booker, die beiden derzeit schillerndsten demokratischen Senatoren, nahmen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump mit pointierten Reden ins Kreuzfeuer.

Doch für den Höhepunkt sorgte eine Frau, die dem politischen Betrieb mit seiner Gehässigkeit und seinem Zynismus lange Zeit nichts abgewinnen konnte. Michelle Obama, die First Lady, hielt eine der stärksten Reden, die man auf Parteitagen in der jüngeren Vergangenheit gehört hat. "Das ist die Geschichte dieses Landes, die mich auf diese Bühne gebracht hat, von Leuten, die sich mühten und hofften und taten, was getan werden musste, damit ich heute jeden Morgen in einem Haus aufwache, das von Sklaven gebaut worden ist", sagte Obama. "Und ich schaue meinen Töchtern zu, zwei schönen, intelligenten, schwarzen jungen Frauen, die mit ihren Hunden auf dem Rasen des Weißen Hauses spielen."

Obama sprach sich mit Nachdruck für Clinton aus, und sollte sie noch etwas von der Bitternis gespürt haben, welche vor acht Jahren den demokratischen Vorwahlkampf zwischen ihrem Mann und Clinton geprägt hatte, so verbarg sie dies gekonnt: "Wegen Hillary Clinton sehen es meine Töchter jetzt für selbstverständlich an, dass eine Frau die Präsidentin der Vereinigten Staaten sein kann." Trump, der sonst jeden und alles via Twittermeldungen verhöhnt, fehlten die Worte. Vielleicht, weil Obama ihn, ohne seinen Namen nur einmal zu nennen, an seinem empfindlichsten Punkt getroffen hatte: Sie und ihr Ehemann, der Präsident, erklärten ihren Töchtern, dass man, "wenn jemand grausam ist oder sich wie ein Tyrann aufführt, nicht auf sein Niveau herabsinkt. Nein, unser Motto ist: Wenn sie untergriffig sind, bleiben wir anständig."

Die First Lady weist Spekulationen über eine eigene politische Karriere stets kategorisch zurück. Sollte sie dennoch mit diesem Gedanken spielen - die Nachfolge von Dick Durbin beispielsweise, dem demokratischen Senator aus Illinois, stünde in vier Jahren zur Debatte - hätte sie mit dieser Rede ein formidables Sprungbrett installiert.

E-Mail an: oliver.grimm@diepresse.com

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