Das Geschäft und die Verantwortung

Claude Lanzmann hat ein feines Gespür, wenn es um Antisemitismus geht.

Kein Wunder, kämpfte der 1925 geborene Pariser Jude als Partisane selbst gegen die deutsche Besatzungsmacht. Später widmete er sich als Filmemacher über Jahrzehnte der Aufarbeitung des Holocaust.

Nun war Lanzmann wieder einmal in Berlin, im noblen Hotel Kempinski. Und da fiel ihm bei Durchsicht der Liste von Auslandsvorwahlen auf, dass just Israel fehlte. Als er an der Rezeption nach dem Grund fragte, wurde ihm freimütig erklärt: Dies sei eine bewusste Entscheidung der Hoteldirektion gewesen, weil sich arabische Gäste darüber beschwert hätten, dass Israel angeführt sei. Im Berlin des Jahres 2016 werde Israel also einfach gelöscht, so der Vorwurf von Claude Lanzmann in der „FAZ“.

Das Kempinski reagierte darauf und gab an, es handle sich um ein Versehen: Israel sei nicht bewusst weggelassen worden, sondern aus „Unachtsamkeit“.

Man mag dem Management glauben oder auch nicht. Klar ist, dass in Europa leichtfertig die Kultur oder die historische Verantwortung verleugnet wird, wenn es um Geschäfte geht. Das sah man bei der Verhüllung antiker Statuen in Rom beim Besuch von Irans Präsidenten im Jänner. Es ist daher gut, dass es so wache Geister wie Claude Lanzmann gibt, die auch auf kleine Fälle falschen Appeasements aufmerksam machen.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2016)

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