Der Berliner Bär und sein Politbiotop

Ach, Berlin. Klaus Wowereit alias „Wowi“ regiert die Hauptstadt seit bald zwei Jahren nicht mehr – „und das ist auch gut so“, um sein geflügeltes Wort zu paraphrasieren.

Nach der Blamage um die mehrmals verschobene Eröffnung des Großflughafens Schönefeld hätten ihn die Berliner mit nassen Fetzen aus dem Roten Rathaus gejagt. Sein salopper Charme wirkte zuletzt schon recht abgestanden und hätte ihn gewiss nicht vor einem Debakel bewahrt.

Michael Müller, sein biederer Ex-Adjutant, rettete bei der Landtagswahl für die SPD, was zu retten war. Dass der Flughafen womöglich auch im kommenden Jahr seine Pforten nicht öffnen wird, verwundert niemanden mehr.

Berlin funktionierte lang als hippes Modell und Lifestyle-Kopie New Yorks so gut, weil nichts so richtig funktionierte. Der Bär – das Berliner Wappentier – brummte gemäß seinem Naturell, und die Stadt boomte. Jeder pflegte sein Biotop: die matte CDU im Westen, die Linken im Osten, die SPD mittendrin und an der Peripherie und die grünen Bobos in Prenzlauer Berg, Kreuzberg, Friedrichshain und neuerdings in Neukölln.

In der Frontstadt des Kalten Kriegs sind die Fronten klar bezogen – nur dass nun die AfD im Revier links wie rechts wildert, als Stimme des Berliner Brummbären, aber nicht so laut wie anderswo.

thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2016)

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