Live im Namen der Republik

Richter haben wahre Macht.

Einmal bestellt, genießen sie nicht nur Kündigungsschutz, sondern befinden täglich auf Basis von Gesetzen über Wohl und Wehe von Existenzen. Dabei bleibt ihnen eine gehörige Portion Interpretationsspielraum.

Die Idee von Justizminister Wolfgang Brandstetter, Urteilsverkündungen und deren Begründung künftig live – in welcher Form auch immer – zu übertragen, hat eine faire Debatte verdient. Ihr Potenzial geht nämlich weit über das Risiko hinaus, lediglich als Förderprogramm für sensationshungriges Boulevard-TV zu dienen. In ihr schlummert ein echter Transparenz-Turbo.

Gesetzgebung und Exekutive gehen seit Jahren bei echten und vermeintlichen Fehlleistungen durch öffentliche Stahlbäder. Das ist gut so, denn beide tragen Verantwortung gegenüber dem Souverän. Wer jedoch öffentlich Urteile von Gerichten anzweifelt, setzt sich dem Vorwurf der Majestätsbeleidigung aus. Warum eigentlich?

Richter fällen ihre eigenen Entscheidungen stets im Namen Dritter („Im Namen der Republik“). Es ist ihnen zumutbar, dass das Land dabei zusieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2016)

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