Reinhold Mitterlehner – gestern, heute, morgen.
Es hatte was von Republikaner-Parteitag für mitteleuropäische Christlich-Soziale: vorn der Parteichef, dunkelblauer Anzug, blaue Krawatte, englische Ausdrücke in den Saal streuend. Hinter ihm für die Inszenierung ausgewähltes Publikum, viele adrett gekleidete junge Leute darunter.
Auch inhaltlich bot Reinhold Mitterlehner christlich-soziale Programmatik: Mindestsicherung für jene, die sie brauchen, aber von der Dotierung her doch mit Abstand zu Arbeitseinkommen. Dazu ein Plädoyer für Ceta, die Leistungsträger und die Innovationskraft der Wissenschaft.
In die Geschichte eingehen wird Reinhold Mitterlehner mit dieser Rede nicht. Die Frage ist vielmehr, ob er kommendes Jahr überhaupt noch einmal so eine „Mutrede“ wird halten können.
Wann ist eigentlich der Schwung verloren, dem Django-Hype – 99,1 Prozent beim Wahlparteitag – die Luft ausgegangen? Relativ rasch jedenfalls. Mit der Steuerreform hat er die Unternehmer zum Teil verloren. Während der Flüchtlingskrise hatten andere wie Sebastian Kurz das Heft schneller in der Hand.
Mitterlehner hat sich im Hickhack der Koalition verbraucht – ein Schicksal, das auch Christian Kern droht, wenn er da nicht schnell herauskommt. Und er verfügt letztlich auch nicht über das Charisma oder diese Mischung aus Intellektualität und Kaltschnäuzigkeit eines Wolfgang Schüssel, um dies auszugleichen.
Einmal sah Reinhold Mitterlehner während seiner Rede auf die Uhr. Ein durchaus stimmiges Bild.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2016)