Zwei blaue Augen für die Demokraten

John Podesta musste vor die demokratische Trauergemeinde treten.
John Podesta musste vor die demokratische Trauergemeinde treten.APA/AFP/KENA BETANCUR
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Die Clintons sind Geschichte. Die Partei muss erst einmal ihre Wunden lecken. Sie muss sich personell und ideel erneuern. An jungen Talenten fehlt es ihr nicht.

Die Wahlnacht hat die Demokraten in eine Stimmung der Tristesse und Depression gestürzt, und am augenfälligsten wurde dies bei der Wahlparty in New York. Die Verliererin tauchte gar nicht erst auf, um sich tags darauf mit einem Appell an ihre zutiefst frustrierten Anhänger und Parteigänger zu Wort zu melden.

Zu groß waren die Enttäuschung und Niedergeschlagenheit bei Hillary Clinton nach ihrem zweiten gescheiterten Anlauf fürs Weiße Haus nach 2008, als dass sie sich der Öffentlichkeit nach dem ermüdenden Wahlkampffinish ausgesetzt hätte. Sie war bis ans Ende ihrer Kräfte gegangen, als sie in Philadelphia und Raleigh noch über Mitternacht hinaus für sich getrommelt hatte. Immerhin war sie demokratisch und fair genug, Donald Trump zu seinem Triumph zu gratulieren, wie dies Usus ist in den USA.

Der Kontrast zu 2008, zum historischen Sieg Barack Obamas, könnte jedenfalls nicht größer sein. Damals feierten Zehntausende mit den Obamas im Grant Park in Chicago, und in Washington jubelten und tanzten Tausende nach Mitternacht in den Straßen, um schließlich vors Weiße Haus zu ziehen.

Dabei hatten die Obamas nun alles versucht, um der Ex-Rivalin zum Sieg zu verhelfen. Doch Obamas Regenbogenkoalition, die bunte Allianz aus Afroamerikanern, Latinos, den Jungen und Minoritäten wie den Homosexuellen, hat sich verflüchtigt. Sie ist erodiert. Das Feuer, die Begeisterung für Hillary Clinton wollte einfach nicht aufkommen.

Kein Enthusiasmus der Millennials

Das hat sich schon im Vorwahlkampf gezeigt, als vor allem die Millennials – die Generation der Geburtsjahrgänge ab 1980 – in Scharen zu Bernie Sanders überliefen, den selbst ernannten Sozialisten aus Vermont, der Hillary Clinton einen überraschend harten Kampf bei den Primaries lieferte. Selbst die Mobilisierung durch Sanders und die Senatorin Elizabeth Warren, die zweite linksliberale Galionsfigur, hat am Ende nichts gefruchtet für die erste Präsidentschaftskandidatin einer der beiden großen US-Parteien.

Die Demokraten gehen mit schweren Blessuren und gleich zwei blauen Augen aus der Wahl. Sie haben ja nicht nur die Präsidentschaft verloren, sie mussten auch im Kongress eine bittere Schlappe hinnehmen. Statt wenigstens den Senat, eine der beiden Kammern im Parlament, zu erobern, gingen sie völlig leer aus. Die Partei muss sich zumindest für die nächsten zwei Jahre auf eine Zeit der Opposition einstellen und eine Strategie entwickeln, wie sie der Dominanz der Republikaner begegnen will.

Dass die Arbeiterschicht und die untere Mittelschicht – die Stammklientel der Demokraten – mehrheitlich für Trump votierten, muss der Partei zu denken geben. Sie hat diese Wählergruppe offenkundig in der Obama-Ära vernachlässigt, und in ihren Hochburgen im früheren Rust Belt – den Industrierevieren in Michigan, Ohio und Pennsylvania – die Rechnung zu bezahlen. Dass ein Milliardär, der seit 20 Jahren keine Steuern zahlt, die weiße Arbeiterschaft auf seine Seite zog, ist geradezu paradox.

Zunächst muss die Partei die Wunden lecken und den Schock verdauen, sie muss sich konsolidieren und ideell wie personell einen Neuaufbau einleiten. In der Kongressfraktion steht ein Stab- und Generationenwechsel bevor. Harry Reid, der Führer im Senat, scheidet aus dem Amt. Mit Charles Schumer, dem Senator und Politprofi aus New York, steht der Nachfolger de facto fest. Nancy Pelosi, die Fraktionschefin im Repräsentantenhaus, gilt schon länger als ablösereif. Für eine jüngere Garde im Kongress ist dies die Chance, sich zu profilieren.

Die Shootingstars

Nicht, dass es den Demokraten an Talenten mangelt. Mögliche Aspiranten wie Andrew Cuomo, der Gouverneur aus New York, haben der Kandidatin Hillary Clinton dieses Mal aus Respekt und Gründen der Anciennität den Vortritt gelassen. Dies war wahrscheinlich, wie sich nun herausstellt, wohl doch ein Fehler. Der bald 74-jährige Vizepräsident, Joe Biden, alles andere als eine Zukunftshoffnung, dürfte es inzwischen bitter bereuen, dass er aus persönlichen Gründen nicht angetreten ist.
Für Cory Booker (47), den afroamerikanischen Senator aus New Jersey, oder Julian Castro (42), den mexikanischstämmigen Wohnbauminister aus Texas, ist jetzt indes die Zeit, ins Rampenlicht zu treten und sich als Kandidat für 2020 zu profilieren. Clinton hatte die beiden bereits als Vizepräsidentschaftskandidaten in die engere Wahl genommen. Die Ära der Clintons ist ein für alle Mal vorbei. Die beiden Shootingstars der Partei, die bei den Parteikonventen der Partei 2012 und 2016 als Starredner hervorgetreten sind, stehen derweil erst am Beginn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2016)

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