Ein Befreiungsschlag für die Grünen – oder doch ein Pyrrhussieg?

Eva Glawischnig
Eva Glawischnig APA/HELMUT FOHRINGER
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Eva Glawischnig feierte mit den Ihren die Nacht in den Wiener Sofiensälen. Doch es gibt, sie weiß es wohl, auch die Tage danach.

Selten war in der Öffentlichkeit Eva Glawischnig mit einem so breiten Lächeln gesehen worden wie an diesem aus mehreren Gründen historischen Sonntagabend. Die Bundeschefin der Grünen hat tatsächlich allen Grund dafür. Denn natürlich war trotz aller Distanzierungsversuche Alexander Van der Bellen, der künftige neunte Bundespräsident der Zweiten Republik also, ihr Kandidat, ein Kandidat der Grünen insgesamt. Und allzu rasend erfolgreich war die Oppositionspartei im Bund (in den Ländern ist das ja teilweise etwas anders) bei Wahlen zuletzt auch wieder nicht gewesen.

Zum anderen kann jetzt schlagartig nach einem Jahr diese selbst auferlegte Zurückhaltung der Grünen beendet werden. Um auf gar keinen Fall Van der Bellen bei seinem Weg in die Hofburg zu gefährden, war die Partei fast schon zur Unkenntlichkeit weichgespült unterwegs. Jetzt kann wieder – für politische Widersacher durchaus eine Warnung – eine Politik nach Art der Grünen gemacht werden.

Sonntagnacht wurde also in den Wiener Sofiensälen bei den Grünen bis zum Geht-nicht-Mehr gefeiert. Wie die Alltagserfahrung lehrt, hat es so manche Feierstimmung in sich, bald in eine Katerstimmung zu kippen. Wenn die Erkenntnis bei allen sickert, dass Van der Bellen natürlich nicht wegen grüner politischer Inhalte so klar gewonnen hat. Sondern trotz dieser. Immerhin hat ihn die Distanzierung von grünen Inhalten und sogar von eigenen Aussagen auf die Siegerstraße geführt.

Und: Es ist eng geworden in der Arena, in die sich die Grünen nach Monaten erst zurück zu reklamieren haben. Mit der Neuorientierung der SPÖ nach der Façon Christian Kerns und dessen Versuchen, sich der FPÖ anzunähern, fällt die Sozialdemokratie für die Grünen als gesetzter Koalitionspartner weg – so es sich denn nach Mandaten ausgeht. Van der Bellen wieder wird in der Hofburg, um seine Unabhängigkeit zu beweisen, den Grünen gegenüber betont spröde auftreten. Ein Pyrrhussieg möglicherweise?

(Print-Ausgabe, 05.12.2016)

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