Türkische „Patriotenpflicht“

Vom Schwarzen Meer bis zur Levante blieben die türkischen Strände zuletzt ziemlich verwaist. Die ausländischen Touristen waren ausgeblieben.

Die politischen Kalamitäten in Ankara und Istanbul und die Terrorgefahr hatten den Europäern, allen voran den Deutschen, die Lust auf den Türkei-Urlaub – Putsch inklusive – vergällt. Auch Russen und Israelis, die sich vor Jahren in Alanya und Bodrum getummelt haben, aalen sich selbst nach dem diplomatischen Tauwetter ihrer Länder mit der Türkei lieber an der griechischen Ägäis oder in Miami Beach.

Und die Zehntausenden Militärs, Juristen, Beamte und Journalisten, die Recep Tayyip Erdoğan im Zuge der „Säuberungswelle“ nach dem Putsch vor einem halben Jahr aus ihren Ämtern geschmissen hat, schmoren entweder in den übervollen Gefängnissen oder haben – drangsaliert – nicht die Muße für Urlaub an heimischen Gestaden. Eher denken viele ans Exil.

Die Lira im freien Fall, die Kreditwürdigkeit im Keller: Die Aussichten sind betrüblich. Also verfiel der Präsident in seiner Verzweiflung auf die Erdoğan-Fans in der Diaspora, an denen es ja nicht mangelt. Er appellierte quasi an ihre patriotische Pflicht, ins Land der Ahnen zu reisen, um Vaterland und die Staatskasse zu retten. Nur, sie kommen ohnehin zu jeder Familienfeier in die alte Heimat – aus freudigem wie aus traurigem Anlass.

E-Mails an:thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2017)

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