Glaubensfrage

Religionspolizei

Österreich benötigt offenbar so etwas wie eine Religionspolizei. Der Eindruck drängt sich bei der Debatte über Islam-Kindergärten auf.

Wenn es eine Auszeichnung für besonders unoriginell geführte öffentliche Debatten gibt, muss sich jene über Islam-Kindergärten dafür zumindest auf der Shortlist finden. Soeben wird sie – nicht zum ersten Mal – geführt.

Sagt der eine: Islam-Kindergärten sind ein Problem. Sagt der andere: Wo ist das Problem? Danach lehnen sich beide Seiten zufrieden zurück. Haben es den anderen wieder einmal so richtig 'reingesagt. Haben Markierungen gesetzt, die Flagge hoch gehalten, wie sie glauben.

Wo ist das Problem bei den viel zitierten Islam-Kindergärten? Weil die Kritik von der „falschen“ Seite kam (von Sebastian Kurz, Rot-Grüns neuem Gottseibeiuns), zu kommunizieren, es gebe keine Probleme, wie das der Liebling des linken Flügels in der nicht eben rechten Wiener SPÖ, Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky, getan hat, zeugt von Realitätsabsenz und Abgehobenheit. Beides Eigenschaften, mit denen sich der Jungstar nicht krass von manch anderem in der Stadtregierung abhebt.

Das Problem beginnt damit, dass die Stadt Wien, was Religion generell betrifft, nicht dem Dogma einer immerwährenden Neutralität anhängt, sondern dass sie schlicht weitgehend ahnungslos ist. Eine wienspezifische Melange aus Nichtwissen, Nichtwissenwollen und Wurstigkeit macht sich breit. Gegenüber der Bedeutung von Religion für Menschen im Allgemeinen und des Islams im Besonderen. Toleranz, ist man geneigt, diesen Umstand beschönigend – und falsch – zu nennen.

Wie das staunende Publikum erfährt, wird in Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften (Gott sei Dank also nicht nur magistratsintern!) zur Zeit in Wien ein Leitfaden erstellt, wie denn Pädagoginnen mit religiösen Festen, Riten und Gebräuchen in Kindergärten generell eigentlich umzugehen hätten. Was für ein Fortschritt. Religiöse Praktiken sind ja auch tatsächlich ein sehr, sehr junges Phänomen. Achtung, Zynismus!

Andererseits vergessen jene, die ein Problem in Islam-Kindergärten sehen, gern, dass – muss man es im Land der neun Länder erwähnen? – österreichweite Standards für Kindergärten generell fehlen, nicht nur für private. Sowohl was die Ausbildung der Pädagoginnen betrifft, wie auch in Bezug auf Inhalte und Qualität der Betreuung. Weshalb sollte es auch anders als beispielsweise bei der Pflege zugehen?

Aber: Konfessionelle Kindergärten (muslimische, christliche, jüdische, . . .) müssen in Österreich weiter Platz haben. Solange sie einheitliche, wohl auch neu zu definierende Mindestanforderungen erfüllen, sich jedenfalls mit absolutem Vorrang an die Gesetze des Staates halten, nicht nur an Glaubenssätze. Und solange sich die Behörde der Mühe unterzieht, die Einhaltung zu überprüfen. Es muss ja dann doch keine Religionspolizei sein. Eine Selbstverständlichkeit? Na, dann ist ja alles gut.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2017)

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