Morgenglosse

Gerichtstaktik versus "Wir woll'n den Grasser seh'n!"

GRASSER PROZESS: GRASSER
GRASSER PROZESS: GRASSERAPA/APA-POOL/ROLAND SCHLAGER
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Bisher lief der Grasser-Prozess ohne Grasser. Ab Mittwoch könnte sich das ändern. Oder auch nicht. Die (bisher tadellos agierende) Richterin gibt den Überraschungseffekt nicht aus der Hand.

Auch im Wiener Landesgericht für Strafsachen ist das so: Er trägt gut sitzende Anzüge. Fährt sich gerne durchs Haar. Ist stets braun gebrannt. Und ja, er sieht gut aus. Karl-Heinz Grasser, wie man ihn kennt, auch wenn sich das jetzt klischeehaft liest. Allerdings: Im prunkvollen Großen Schwurgerichtssaal muss man den 49-jährigen Hauptangeklagten mit der Lupe suchen. Das verwundert schon etwas. Schließlich ist der Ex-FPÖ-Politiker die Hauptfigur des Buwog-Prozesses, der am Mittwoch und am Donnerstag weitergeht.

Schon interessant: Man hat den Ex-Finanzminister noch nie dabei beobachtet, wie er in die Weite des Saales schreitet. Nicht freiwillig, wie dies andere Buwog-Angeklagte in Prozesspausen tun (Grasser schlüpft immer gleich durch einen diskreten Seitenausgang). Und auch nicht unfreiwillig. Richterin Marion Hohenecker, die anfangs durch die Twitter-Affäre ihres Ehemanns ins Trudeln geraten war (der Mann, selbst Richter, hatte Grasser-kritische Tweets verbreitet), mittlerweile aber mit sicherer Hand "regiert", hat den Ex-Finanzminister noch immer nicht zur Einvernahme aufgerufen. Das darf sie. Sie kann ihn, wenn sie möchte, auch als allerletzten der 14 Angeklagten "drannehmen".

Das auf der Galerie sitzende Publikum weiß natürlich, was es will. Sein Schlachtruf wird immer lauter: "Wir woll'n den Grasser seh'n!" Mit einer gewissen Lust hat die Richterin schon vor zwei Monaten (ja, solange läuft der Buwog-Prozess schon) bekundet, sie sei ganz sicher, dass sich Grasser auf seine Einvernahme top vorbereitet habe und daher durchaus in der Lage sei, das Vorbereitete jederzeit abzurufen. Was blieb da den Verteidigern anders übrig, als dies abzunicken?

Warum das mit dem "Grasser-sehen" so lange dauert? Nun ja, üblicherweise ziehen Richter die einfachen, auskunftsfreudigen, im besten Fall geständigen Angeklagten (siehe Peter Hochegger) vor. Die Taktik ist simpel: Was die "braven" Angeklagten verraten, kann man den "Schwierigen" vorhalten. So kann man letztere quasi einkreisen. Nein, wir unterstellen der Richterin an dieser Stelle nicht, dass sie Grasser gezielt in eine Ecke drängen will. Eine Alternative wäre, dass sie den Hauptdarsteller warten lässt, weil ihr dessen Rolle im Rahmen der Buwog-Privatisierung eher untergeordnet vorkommt.

Soviel steht fest: Die Richterin mag es, die Angeklagten und alle anderen zu überraschen. Und sie hat einen Plan. Welchen will sie nicht verraten. Auch eine Möglichkeit die (Straf-)Sache spannend zu machen.

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