Ein runder Tisch zur Spitzenforschung

Österreich droht Rückfall in die Provinzialität, wenn es in ganz Europa anerkannten Instituten den Geldhahn zudreht. Wissenschaftsministerin Karl sollte auch ihre Formfehler korrigieren.

Kürzlich hatte ich Gelegenheit, den Verhandlungen eines deutschen Ressortministers mit Interessengruppen zu lauschen, bei denen es um Subventionen für energetische Sanierungsmaßnahmen ging. Das Hauptargument gegen vorgesehene Kürzungen war, dass sich jeder Subventionseuro sieben bis achtmal vermehren wird – unter dem Strich also eine Investition in die Zukunft ist.

Geistes- und Sozialwissenschaftler haben stets ein Problem, im Wettbewerb um Nützlichkeit mitzuhalten. Zwei der Institute, die derzeit in Wien von Schließung bedroht sind, können das aber ohne Weiteres. Das Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) hat sich seit 1982 als herausragende Drehscheibe zwischen Wissenschaftlern und Intellektuellen aus Ost- und Westeuropa und dem Rest der Welt profiliert; das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) ist seit 1993 erste Adresse für Kulturwissenschaftler aus aller Welt. Die Direktoren Krzysztof Michalski und Helmut Lethen sind weltweit angesehene Kapazitäten.

Wien und Österreich hätten allen Grund, auf diese Einrichtungen stolz zu sein. Sie haben ein Renommee gewonnen, das andere, weniger unabhängige Institute des Landes anstreben. Als Leiter einer vergleichbaren Einrichtung avancierter Forschung kann ich bestätigen, dass IWM wie IFK in den Geistes- und Sozialwissenschaften in Europa führend sind; die jetzt offenbar vorgesehene Abwicklung würden meine Kollegen und ich als herben Verlust empfinden.

Überall wird gespart, aber ...

Schließungen würden den Rückfall in eine Provinzialität bringen, die von Mitte der 1980er-Jahre an überwunden worden ist, massive Kürzungen machten die Aufbauarbeit von Jahren zunichte, eine Übernahme durch universitäre Großeinrichtungen würde das spezielle Profil zerstören.

Sicher: Überall wird gespart. Die Lehman Brothers und Dr. No's dieser Welt haben mit ihrer Zockerei den Staatshaushalten Lasten aufgebürdet, unter denen die finanziellen Fundamente für die Energiewende wie für Kultur und Wissenschaft bersten.

Begonnen hat das an den amerikanischen Universitäten, während die Bundesrepublik Deutschland derzeit noch Kurs hält. Besonders betroffen ist das britische Bildungssystem, aber dort werden genau solche Institute ausgeschlossen, weil man ihren Wert als Denkfabriken und Plattformen kennt und im Sparzwang nicht den Sinn für Unabhängigkeit und Qualität verliert. Und weil man realisiert, dass Institute (die etwa für die Dämmstoffindustrie oder die Solarbranche forschen) mit der Einwerbung von Drittmitteln jeden Cent doppelt und dreifach hereinholen. Reputation, Internationalität und Interdisziplinarität, die Währungen der Spitzenforschung, werden dort gewissermaßen nebenbei produziert, während sie andernorts krampfhaft beschworen werden müssen. Hier wird ohne großes Getue das Wissen der Zukunft generiert.

Entscheidung überdenken

Bundesministerin Elfriede Karl sollte ihre Entscheidung noch einmal durchdenken und dabei auch den Formfehler korrigieren, dass die betroffenen Institute nicht einmal angehört worden sind. Ein runder Tisch Spitzenforschung ist dringend geboten. Übrigens: Die Kürzungen der Städtebauförderung sind zum Teil zurückgenommen worden, die Steuergeschenke für die Hoteliers nicht?

Der deutsche Politikwissenschaftler Claus Leggewie (*1950) ist Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI) in Essen


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2010)

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