Letzte Möglichkeiten

Graz leidet seit Jahren unter einer Feinstaubbelastung – und an Politikern, denen der Mut für Maßnahmen fehlt.

Der aktuelle Spätsommereinbruch gibt Graz Zeit, unbeschwert durchzuatmen. Die „Feinstaubampel“, die auf der stadteigenen Homepage plakativ über die aktuellen Luftgütewerte informiert, blinkt in entspanntem Orange („Werte im Toleranzbereich“), verbunden nur mit der Empfehlung, dennoch auf das eigene Auto zu verzichten. Dem morgen- und abendlichen Stau nach folgt dem Tipp naturgemäß niemand. Und daran wird sich vorerst auch nichts ändern.

Denn der mühsam durch sämtliche Schikanen zwischen Stadt und Land bugsierte Pakt zwischen SPÖ, ÖVP und Grünen, mit Dezember 2011 in Graz Umweltzonen einzurichten, wurde vom neuen Umweltlandesrat Gerhard Kurzmann (FPÖ) schon auf der ersten Beschleunigungsgeraden ausgebremst. Umweltzonen, so stellte er unlängst im Landtag klar, sind für ihn nur die „letzte Möglichkeit“ – also keine Option. Überrascht sein durfte man nicht. Die FPÖ hatte schon im Wahlkampf Unterschriften gegen das Fahrverbot für alte Dieselfahrzeuge gesammelt.

Die Autofahrerklubs auf den Rängen jubeln jedenfalls begeistert. Hinter dem Rücken applaudiert auch die Wirtschaftskammer (nach außen übt man sich in der Pose des Erlösungsapostels und kündigt ein umfassendes Gesamtkonzept als Alternative an). ÖVP und SPÖ überspielen ihre eigene Konzeptlosigkeit mit Schweigen, die Grünen warnen vor EU-Strafen in Millionenhöhe und einer verkürzten Lebenserwartung durch die Schadstoffpartikel. Die Feinstaubampel wird noch viele „letzte Möglichkeiten“ bekommen, rot zu blinken.

klaus.hoefler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2010)

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