Islamophobie ist kein Verbrechen

Der türkische Ministerpräsident hat sich bei seiner Rede in Deutschland im Ton, aber auch im Inhalt vergriffen.

Meinung

Unsere Kinder hier müssen gut Deutsch lernen, aber sie müssen erst gut Türkisch lernen.“ Für diese Aussage ist der türkische Ministerpräsident Recep Erdoğan heftig kritisiert worden – dabei ist sie nicht unvernünftig: Das Problem vieler Immigranten aus ländlichen Gebieten der Türkei ist, dass sie gar keine Standardsprache sprechen.

Doch ein anderer Satz aus Erdoğans Rede in Düsseldorf ist wirklich bedenklich: „Die Islamophobie ist genauso wie Antisemitismus und Rassismus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

Abgesehen davon, dass „Menschlichkeit“ hier, wie schon Hannah Arendt angemerkt hat, eine euphemistische Übersetzung von „crime against humanity“ ist – richtig wäre „Verbrechen gegen die Menschheit“ –, verwendet Erdoğan das Wort inflationär. Im Februar 2008, ebenfalls bei einer Rede an Türken in Deutschland, sagte er: „Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ Und nun soll also auch „Islamophobie“ – also die Angst vor dem Islam – ein solches Verbrechen sein!

Keine Frage, es ist verwerflich, Hass gegen den Islam zu schüren. Doch Angst vor einer monotheistischen Buchreligion, in deren Heiliger Schrift die Aggression gegen Anders- und Ungläubige propagiert wird, ist vielleicht nicht notwendig, aber berechtigt – solange nicht namhafte Vertreter dieser Religion ausdrücklich erklären, dass einschlägige Stellen ihrer Schrift nicht wörtlich zu nehmen sind. Das ist im Islam bisher schwer möglich, da sich in seiner Theologie (noch) keine textkritische Exegese des Korans etabliert hat. Dieser gilt als wörtliche Offenbarung Gottes – während die meisten christlichen Theologen zu Kompromissformeln bereit sind wie jener, dass die Bibel „göttlich inspiriert“ sei.

Christen sollten zugeben: Bis weit in die Neuzeit war „Christophobie“ für Atheisten in Europa eine verständliche Haltung; und wenn ein Geheimprotestant im 17.Jahrhundert unter „Katholophobie“ litt, war das nicht paranoid, nein, sie verfolgten ihn wirklich. Genauso ist es verständlich, wenn heutige Christen in der Türkei, wo ihnen elementare Rechte verweigert werden, islamophobe Gefühle kennen.

Wenn Islamophobie in Deutschland heute völlig irrational sein sollte – umso besser. Aber Angst zu inkriminieren widerspricht jeder Vernunft und Moral.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2011)

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