Griechenland plus Hyperinflation

Die europäischen Gewerkschafter haben eine gute Idee für die Schuldenkrise: noch mehr Schulden.

Der europäische Gewerkschaftsbund hat gestern, Sonntag, eine, wie es hieß, „klare Botschaft“ an die EU-Finanzminister ausgeschickt: Die „Politik des Sparens“, die „die Wirtschaft abwürgt“, müsse endlich gestoppt werden. Besonders, aber nicht nur in Griechenland, wo die Situation besorgniserregend geworden sei.

Klingt irgendwie einleuchtend, wenn man sich das Gesamtbild nicht ansieht. Tut man das freilich, dann fragt man sich schon, auf welchem Mond die europäischen Gewerkschafter leben. Laut Eurostat haben die 17 Euroländer im Vorjahr im Schnitt nämlich sechs Prozent Budgetdefizit aufgewiesen, heuer werden es dank vorsichtiger Sparmaßnahmen und besser laufender Konjunktur „nur“ noch 4,3 Prozent sein.

Anders gesagt: Im Vorjahr sind die kumulierten Schulden der Euroländer um 540 Milliarden Euro gestiegen, heuer werden die Schulden „nur“ noch um 390 Milliarden Euro zunehmen. Das Faktum, dass man in einem Jahr 390 Milliarden Euro mehr ausgibt als man einnimmt, „Kaputtsparen“ zu nennen – nun, das ist schon eine etwas eigenwillige Definition des Spargedankens.

Was schlagen die Gewerkschafter also zur Lösung der Schuldenkrise – abgesehen von der üblichen Forderung nach diversen Steuerhöhungen – vor? Nun: Eine „Initiative für einen europäischen Aufschwung“, die mit der Ausgabe von gemeinsamen „Eurobonds“ finanziert wird. Anders gesagt: Wir bekämpfen die Staatsschuldenkrise, indem wir noch viel mehr Schulden machen, das Problem aber von Einzelstaaten auf Eurozonen-Ebene verlagern. Und wenn es dann ans Zurückzahlen geht – dann „druckt“ uns die EZB die nötigen Scheine einfach. Wie simpel sich doch die Probleme lösen lassen, wenn man nur will!

Blöd nur, dass das dann das System „Griechenland plus Hyperinflation“ wäre. Eine wirklich gute Idee, die auch ganz sicher dazu beiträgt, die Gewerkschaftsforderungen nach „Erhalt der Kaufkraft“ und „Stärkung der Sozialsysteme“ zu erfüllen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2011)

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