Kommentar: Ein Fehler ist genug

Angela Merkel hat erkannt, dass man nicht verbergen kann, was jeder weiß.

Angela Merkel hat sich spät, aber doch entschieden, ihren in erster Linie von parteitaktischen Überlegungen getragenen Widerstand gegen die Nominierung von Joachim Gauck zum Allparteien-Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten aufzugeben. Diese Überlegung lautete: Würde man Gauck, der seinerzeit dem nun zurückgetretenen Christian Wulff knapp unterlegen war, auf den Schild heben, käme das dem Eingeständnis gleich, dass es seinerzeit ein Fehler war, Wulff aus Parteiräson gegen Gauck, den „Kandidaten der Herzen" durchzudrücken.

Besser lässt sich kaum zeigen, dass der Begriff „parteitaktische Überlegung" einen Widerspruch in sich darstellt. Als ob sich nicht schon vor Wochen, und seither so gut wie jeden Tag gezeigt hätte, dass die Wahl Wulffs ein Fehler gewesen ist.

Nein, das Risiko, dass durch Joachim Gaucks Wahl Angela Merkels bisher unter Verschluss gehaltener Fehler hätte offensichtlich werden können, hat nie bestanden. Das Risiko bestand ausschließlich darin, dass Frau Merkel durch die abermalige Ablehnung Gaucks die Bereitschaft dokumentiert hätte, einen Fehler zwei Mal zu machen.
Das hat sie nicht getan. Viel mehr sollte man gegenwärtig von Politikern auch nicht erwarten.


chefredaktion@diepresse.com

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