Der Millionär als Bettler

Die Aufstockung des IWF-Budgets hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Es ist ein kurioses Bild, das sich bei der IWF-Tagung aufgetan hat. War es früher der reiche Norden, der den Ländern des Südens mittels IWF Kredite zukommen und ihn in die dortige Wirtschaftspolitik eingreifen ließ, so kommen die „guten Ratschläge“ nun aus Brasilien oder Indien. Denn auch, wenn die Aufstockung des IWF-Budgets nicht als Hilfe für die Eurozone deklariert wurde, ist jedem klar, wohin die Reise geht.

Europas gekränkter Stolz ist aber das kleinste Problem. Denn es ist ein Fakt, dass der Norden nicht mehr so reich und der Süden (und Ferne Osten) nicht mehr so arm ist. Unangenehmer ist, dass sich die EU stärker von China oder Russland abhängig macht, wodurch etwa Aufrufe zur Wahrung der Menschenrechte noch mehr an Gewicht verlieren. Welcher Gläubiger hört schon auf seinen Schuldner?

Besonders problematisch ist aber, dass mit 200 Mrd. Euro ein Großteil des neuen IWF-Geldes ohnehin aus der EU kommt. Die ganze Aktion wird nämlich deshalb durchgeführt, weil die Euro-Notenbanken für den IWF Geld drucken müssen, für EU-Rettungsprogramme aber nicht dürfen. Dass sich der Millionär also zum Bettler macht, nur um seine eigenen Regeln umgehen zu können, das ist die wahre Tragödie dieses Wochenendes.

jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2012)

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