Der Cannes-Erfolg von Haneke und Seidl bringt Österreich internationales Renommee. Was ist uns das wert?
Alle Welt blickt wieder auf das Filmland Österreich: Erstmals zwei Österreicher im Wettbewerb von Cannes – und dann reiht sich Austro-Regisseur Michael Haneke unter dem Jubel der internationalen Presse in den kleinen Kreis der doppelten Palmen-Gewinner! Und in der A-Liga der Festivals wird weiter reüssiert: Mit heimischer Teilnahme in den baldigen Konkurrenzen von Venedig und Locarno ist zu rechnen.
Trotzdem hat unsere Filmkunst weiter ein Problem mit der (Förder-)Politik: Am Rande übte Haneke Kritik an Kulturministerin Claudia Schmied, weil sie der Festivalpremiere fernblieb. Sie reagierte prompt und lud Haneke und Seidl zu einem Empfang bei der Rückkehr. Was wiederum daran erinnert, dass die Politiker immer dabei sind, wenn es gilt, Erfolg zu ernten, aber nicht immer beim Säen: Ähnliches spielte sich beim „Oscar“-Gewinn von Stefan Ruzowitzkys „Die Fälscher“ ab. Und was ist vom Faktum zu halten, dass Haneke dank seines internationalen Renommees die Konsequenz ziehen konnte, sich von den heimischen Förderquerelen größtenteils zu entfernen? Sein voriger Palmen-Sieger war mehrheitlich deutsch produziert, der neue ist majoritär französisch.
Haneke und Seidl sind durch ihre Kompromisslosigkeit Speerspitzen des artistischen Renommees von Österreichs Film geworden. Wie Schmied in ihrer Gratulation richtig anmerkte: Solche Leistungen sind keine Selbstverständlichkeit. Weil Kino aber sowohl Kunst als auch Wirtschaftszweig ist, wurde zuletzt in der Förderpolitik wieder nach „Publikumsfilmen“ verlangt (für den winzigen heimischen Markt?). Aber heißt diese Bezeichnung nicht eigentlich, dass sich diese Filme durch Publikumszuspruch finanzieren sollten? Während Filmkunst eben etwas ist, was sich eine Gesellschaft leisten will (und kann). Zum Vergleich: Was soll Wiens Bühnentradition international repräsentieren – die Burg oder das Simpl?
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2012)