Russlands Staatsgewalt nimmt sich nun auch „illoyale“ Profiteure Putins vor.
Die unangemeldete Kontrolle zählt zu den Klassikern im Repertoire der Ordnungshüter. Ob Leibesvisitation von renitenten Jugendlichen, Planquadrat im Rotlichtmilieu oder Hausbesuch bei verhaltensauffälligen Störenfrieden – das Signal, das die Staatsgewalt aussendet, ist jedes Mal dasselbe: Nimm dich in Acht, denn das Auge des Gesetzes hat dich im Blick.
Genau diese Botschaft wollten auch jene Exekutivbeamten übermitteln, die einen Tag vor den geplanten Demonstrationen gegen die Inthronisierung von Wladimir Putin die Wohnungen von mehreren Bannerträgern der russischen Opposition durchsuchten. Wobei es in diesem Fall falsch wäre, vom unparteiischen Auge des Gesetzes zu sprechen – es ist vielmehr der scharfe Blick des Autokraten, der nach Feinden sucht.
Zum Handkuss kamen dieses Mal neben den üblichen Verdächtigen wie dem Blogger Alexej Nawalny auch Randfiguren der Proteste – etwa das telegene Partygirl Xenia Sobtschak, das als Tochter von Putin-Intimus Anatoli Sobtschak bis dato als unantastbar gegolten hatte.
Der Fall Xenia Sobtschak macht deutlich, dass an den Schaltstellen der Staatsmacht die Hardliner Platz genommen haben. Die einstige Moderatorin des russischen „Big Brother“-Verschnitts ist keine eingefleischte Dissidentin, sondern eine Spätberufene aus gutem Haus. Dass ausgerechnet ihre Wohnung durchwühlt wurde, kann nur als Signal an die bisherigen Profiteure des Systems Putin verstanden werden: Untreue wird bestraft, und zwar unabhängig von der Rückendeckung der Betroffenen.
michael.laczynski@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2012)