Mit der ÖVP ist kein Staat mehr zu machen

SPÖ und ÖVP erzielen das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die Sozialdemokraten bleiben die stärkste Fraktion im Parlament. Die Grünen werden von FPÖ und BZÖ überholt, es wird also wohl wieder nichts mit der Regierung.

Das Ergebnis dieses Wahlsonntags ist weder eine große Überraschung noch ein großer Umsturz. Dass FPÖ und BZÖ gemeinsam zur stärksten Kraft werden könnten, war ebenso vorhersehbar wie die möglichen Regierungskonstellationen danach: Fortsetzung der „Großen Koalition“ als „Kleine Koalition“ aus SPÖ und ÖVP oder Beteiligung zumindest der FPÖ, möglicherweise auch des BZÖ. Umsturz ist es keiner, weil wir die Situation schon hatten: 1999 sah es politisch ziemlich genau gleich aus in diesem Land (siehe auch Seiten 2 und 3). Damals wie heute war der Hauptgrund für den Höhenflug des dritten Lagers die Große Koalition. Seinerzeit war sie allerdings nicht nach eineinhalb Jahren miserabler Performance gescheitert, sondern erst nach dreizehn Jahren gemeinsamer Regierung, in denen immerhin der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union stattgefunden hatte.

Und es gibt einen weiteren wesentlichen Unterschied zur Situation vor zehn Jahren: 1999 profitierte Jörg Haider von der Ausgrenzungsstrategie der SPÖ, die Franz Vranitzky zu Recht das Prädikat „Haidermacher“ eingetragen hat. 2008 wurden Haider und Heinz-Christian Strache von Werner Faymann auf Augenhöhe, von Populist zu Populist sozusagen, behandelt, was die Bekenntnisbereitschaft der freiheitlichen Wähler und damit die Vorhersehbarkeit des freiheitlichen Erfolgs erhöhte.

Deshalb wäre es auch nur konsequent, wenn Faymann, der „Strachemacher“ des Jahres 2008 und nebenbei einer der beiden Verlierer dieser Wahl, den Weg weitergeht und mit den Siegern eine Regierung bildet. Was den populistischen Grundzugang zur Politik betrifft, sind sich die beiden sehr ähnlich, und auch inhaltlich spricht, wie die letzte Nationalratssitzung vor der Wahl gezeigt hat, nichts dagegen: Schon da gab es eine SPÖ-FPÖ-Minderheitsfraktion, die sich mit wechselndem Erfolg Mehrheiten suchte. Zumindest das könnte man in Form einer Minderheitsregierung – vielleicht Rot-Grün mit freiheitlicher Duldung? – fortsetzen.


Vom Bundespräsidenten über den medialen Mainstream, der die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung von FPÖ und BZÖ vermutlich erneut für das Ausleben seiner „Naziland“-Fantasien nutzen würde, wird allerdings massiver Druck auf eine Koalition der Verlierer ausgeübt werden. Heinz Fischer, der seine Unabhängigkeit von den politischen Realitäten während der vergangenen eineinhalb Jahre wiederholt eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, wird vermutlich sogar erklären, dass die Neuauflage der Großen Koalition der „Wählerwille“ sei. Nachdem sie Werner Faymanns Wille ist, ist sie ja tatsächlich auch der Wille zumindest eines Wählers. Also wird Fischer wie schon 2006 mit aller Gewalt versuchen, die ÖVP in eine Neuauflage der Verliererkoalition zu prügeln, im Namen einer „stabilen Regierung“.


Und sie wird sich wohl wieder hineinprügeln lassen, die ÖVP. Denn inzwischen ist sie inhaltlich und personell sogar für eine selbstbewusste Oppositionsansage, die die einzig richtige Antwort auf die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre wäre, zu schwach. Erst recht für die einzige Alternative, die sich nach der Absage Faymanns an FPÖ und BZÖ ergibt: eine Regierung aus ÖVP, FPÖ und BZÖ. Schon allein der Umstand, dass sich mediokre Figuren wie ein Ferry Maier am Wahlabend über eine Niederlage öffentlich lustig machen, zu der sie selber durch ihre schiere Existenz einen wesentlichen Beitrag geleistet haben, zeigt, dass mit dieser Partei auf absehbare Zeit kein Staat mehr zu machen sein wird. Und so wird sich die SPÖ, die das schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren hat, als Sieger fühlen dürfen und genüsslich mitansehen, wie die ÖVP, die ebenfalls das schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren hat, nach absolvierter Obmannentsorgung reumütig ins koalitionäre Faulbett gekrochen kommt.

FPÖ und BZÖ kann nichts Besseres passieren: Schon allein der berechtigte Zorn darüber, dass das politische Establishment des Landes, vom Bundespräsidenten abwärts, den Bürgern weismachen will, dass genau das, was sie dezidiert nicht mehr wollten, das Beste für das Land wäre, wird ihnen weitere Anhänger zutreiben.


michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2008)

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