Erhaltung des Drecks

FPÖ und Grüne haben ein ziemlich effizientes System für den Fortbestand des Faschismus entwickelt.

Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf fühlt sich auf Druck seiner beiden Präsidiumskollegen bemüßigt, sich in etwas verquälten Formulierungen von jenem Alt- und Neunaziumfeld zu distanzieren, das dadurch nicht aufhört, sein Umfeld zu sein. Das ist ziemlich unerfreulich, weil man als denkendes Gemüt im 21. Jahrhundert einfach nicht wollen kann, dass im Parlamentspräsidium ein Mensch sitzt, der sich gern mit Leuten abgibt, die den Holocaust leugnen und einen Mangel an Beweisen für die Existenz von Konzentrationslagern konstatieren.

Vermutlich stimmt es, dass jemand wie Martin Graf in Deutschland nie in diese Position gekommen wäre. Sicher ist, dass in Deutschland Sozialdemokraten und Grüne nicht sonntags den „Rechtsextremen“ Graf bekämpfen und montags mit dem Parlamentarier Graf den Universitäten 150 Millionen Euro entziehen würden. Aber so ist Österreich: Die unerfreuliche Hartnäckigkeit des deutschnationalen bis nationalsozialistischen Idiotentums und die Hartnäckigkeit des affektierten Antifaschismus der idiotischen Art sind ohne einander nicht vorstellbar.

Figuren wie Martin Graf müssten eigentlich in den unteren Ebenen der öffentlichen Verwaltung oder als Sachbearbeiter in mittelständischen Handelsunternehmen hängen bleiben. Erst seit die österreichischen Linken mit aller Macht aus Jörg Haider und allen, die ihn aus den unterschiedlichsten Motiven gewählt haben, Nazisympathisanten gemacht haben, kann jemand wie Martin Graf politisch Karriere machen. Die Deppen, die den Hitler so schlecht nicht fanden, die Juden für gefährlich halten und die sich endlich als Deutschösterreicher ernst genommen fühlen wollen, wären längst ausgestorben. Zum Teil einer relevanten politischen Kraft wurden sie nur, weil in den 90er-Jahren immer mehr Menschen die Haider-FPÖ wählten, obwohl dort auch Alt- und Neunazisympathisanten ihr Unwesen trieben.


Dass SPÖ-Linke, Grüne und sonstige Wohlgesinnte, die selbst nur interessant waren, wenn sie sich mit dem Lichtschwert des Antifaschismus in Pose warfen, jeden Haider-Wähler, der vom Proporzfilz genug hatte, als potenziellen Neonazi denunzierten, hat den wirklichen Neonazis in der FPÖ Stimmen gebracht, die sie sonst nie bekommen hätten. Dieses System erhält sich seitdem von selbst: Das bisschen Mehr an Faschismus, das die Antifaschisten zum Bekämpfen brauchen, machen sie sich gewissermaßen auch noch selbst. Neuen Schwung bekommt es immer dann, wenn sich in der realen Außenwelt Dinge von größerer Relevanz abspielen: Da haben die Freaks Zeit, sich miteinander zu beschäftigen.

Es ist also kein Wunder, dass die Faschismus-Antifaschismus-Debatte zwischen Freiheitlichen und Grünen ausgerechnet jetzt, wo da draußen in der wirklichen Welt die schwerste Wirtschaftskrise seit 70 Jahren ihr Unwesen treibt, neue Nahrung bekommt: In den Fragen, auf die es jetzt wirklich ankommt, haben beide Parteien nichts zu sagen. Sowohl die FPÖ als auch die Grünen sind, was wirtschaftspolitische Fragen angeht, irrelevant. Darum haben sich beide wieder auf ihre Kernkompetenzen verlegt: Die Freiheitlichen auf Xenophobie und Heimattümelei, die Grünen auf illegale Informationsbeschaffung, affektierten Antifaschismus und Verharmlosung linker Gewalt.


Besonders absurd ist in der gegenwärtigen Auseinandersetzung zwischen Freiheitlichen und Grünen die Forderung des Abgeordneten Öllinger, das Verbotsgesetz nachzubessern. Gerade dieses Gesetz, dessen Existenz in einer gefestigten Demokratie niemand nachvollziehen kann, leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, dass das Neonazitum in der jüngeren Generation nicht ausstirbt: Interessant ist der Mist, mit dem sich die Straches, Grafs, und wie sie alle heißen, interessant zu machen versuchten, für einen Jugendlichen doch hauptsächlich, weil er verboten ist. Auch in dieser Hinsicht funktioniert das Selbsterhaltungssystem von linken und rechten Obskuranten in Österreich perfekt: Wenn einer wie Graf die Abschaffung des Verbotsgesetzes fordert, kann er sicher sein, dass es bleibt und ihn und seinesgleichen interessant macht. Und Öllinger & Co. können schon die Forderung nach der Abschaffung des Verbotsgesetzes als Beginn einer neuen Nazidiktatur verkaufen.

Das ist politischer Pluralismus auf Österreichisch: Man ist auf unterschiedliche Art verlogen. Aber vielleicht ist es ganz gut, wenn die Freaks von links und rechts sich mit solchem „Dreck“ beschäftigen. Sonst kommen die womöglich noch auf die Idee, die Wirtschaft zu retten.


michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2009)

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