Wir bekommen die Migranten, die in unser Klischee passen

Österreich hinkt im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe hinterher. Verwundern darf das nicht.

Eines der wohl größten Probleme der österreichischen Zuwanderungspolitik lässt sich in nur einem Satz treffsicher zusammenfassen: Die Migranten, die wir auf dem Arbeitsmarkt brauchen, bekommen wir nicht – und die Migranten, die wir bekommen, brauchen wir auf dem Arbeitsmarkt nicht. Oder zumindest nur zum Teil.

Um der Aussage zuzustimmen, muss man weder Populist noch xenophob sein. Es reicht, das vorliegende Zahlenmaterial zu sichten: Der größte Teil der Akademiker aus dem Nicht-EU-Raum, die ihr Studium in Österreich absolviert haben, verlässt das Land so rasch wie möglich wieder. So haben im Studienjahr 2010/11 zwar knapp 1300 Drittstaatenangehörige hier ein Studium abgeschlossen – allerdings beantragten seit Juli 2011 nur 222 jene Rot-Weiß-Rot-Card, die den Verbleib im Land sichert. Wie es sich mit den rund 50.000 EU-Bürgern, die an österreichischen Unis studieren, verhält, weiß die Statistik aufgrund der Niederlassungsfreiheit nicht. Als Gradmesser können aber jene Zahlen dienen, die für die Ärztebedarfsstudie an den Med-Unis erhoben wurden: Zwei Drittel der ausländischen Medizinstudenten verlassen Österreich nach Ende ihrer Ausbildung.

Österreich erlebt damit das, was man in universitären Kreisen „asymmetrische Mobilität“ nennt: Aufgrund niedriger Zugangshürden zum Studium – kaum Beschränkungen, keine Uni-Gebühr – wählen viele Österreich als Studienort. Nachdem die sich – auf Staatskosten – ausbilden ließen, verlassen sie das Land wieder. Im Wettbewerb um die besten Köpfe kann Österreich nicht mithalten.

Im Gegenzug verfügt ein großer Teil jener Zuwanderer, die dauerhaft im Land bleiben, über erschreckend niedrige Bildung. So hatten im Jahr 2011 laut Integrationsbericht des Innenministeriums ganze 31 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund lediglich einen Pflichtschulabschluss. In der österreichischen Bevölkerung liegt dieser Wert bei 13 Prozent. Besonders hoch ist der Anteil der wenig Gebildeten unter den Türken (61 Prozent nur Pflichtschulabschluss) sowie bei Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien (37 Prozent). Migranten aus EU-Staaten verfügen zwar über eine überdurchschnittlich hohe Bildung – sie sind aber leider in der Minderzahl. Keine sonderlich gute Ausgangslage für ein Land, das über einen Mangel an gut ausgebildeten Facharbeitern klagt und damit kokettiert, dass seine wichtigste Ressource das Wissen sei.

Schwieriger als die Bestandsaufnahme gestaltet sich freilich die Suche nach den Gründen für die (zu) geringe Attraktivität Österreichs bei hochgebildeten Migranten. Ein entscheidender Faktor mag sein, dass Österreich als Wirtschaftsstandort immer weiter zurückfällt. Im „IMD World Competitiveness Yearbook“, in dem das Schweizer Institut für Management-Entwicklung alljährlich die Wettbewerbsfähigkeit von rund 60 Staaten nach 327 Kriterien bewertet, fiel Österreich in den vergangenen zwei Jahren um sieben Plätze auf Rang 21.

Und: Es gelingt kaum, selbst bestehende Stärken zu kommunizieren. Ausländische „High Potentials“, also Schlüsselarbeitskräfte wie Manager und Fachexperten, nehmen das Land kaum als Wirtschafts-, sondern eher – „Sound of Music“ lässt grüßen – als Tourismusstandort wahr. Das belegt etwa eine von der Stadt Wien beauftragte Erhebung der Webster Privatuniversität, die diese gegen den Widerstand der Stadt 2010 veröffentlicht hat. Nur ein Drittel der Befragten nahm Wien vor der Ankunft als Geschäftszentrum wahr, nur 14 Prozent sahen Wien als Hightech-Standort. Auch bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse hinkt Österreich hinterher; die Regierung steuert zumindest hier derzeit gegen.

Als größtes Problem bezeichneten die Befragten die Ausländerfeindlichkeit. Es geht wohl nicht nur ihnen so. Bis heute herrscht ein Klima, das jene, die die Wahl haben, nicht zum Bleiben einlädt. Und bei jenen Zuwanderern, die bleiben, werden – selbst in zweiter Generation – die Potenziale allzu oft bei weitem nicht ausgeschöpft. Bis heute ist unser Bildungsproblem auch ein Integrationsproblem.

Das passt ins Bild: Denn Österreich hat damit nicht zuletzt genau jene Migranten, die dem Klischee der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen.

E-Mails an: christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2012)

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