Was Michael Häupl anfängt, bringt Erwin Pröll zu Ende

Die Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht belegt die Machtverhältnisse in Österreich. Und zeigt einmal mehr, wie absurd Sicherheitspolitik argumentiert wird.

Es begann mit Michael Häupl und endet mit Erwin Pröll: Die Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht ist eine schöne Posse der österreichischen Innenpolitik, die die wahren Machtverhältnisse in Österreich klar zeigt. Michael Häupl erfand in einem gemeinsamen Brainstorming mit der „Krone“ 2010 die Abschaffung der Wehrpflicht auf den Spuren von Bruno Kreiskys Wahlkampfschlager „Sechs Monate sind genug!“ zwecks letzter (nicht übertrieben erfolgreicher) Mobilisierung vor der Wiener Gemeinderatswahl. Seither bemüht sich Norbert Darabos darum, anfangs unterstützte ihn auch noch Werner Faymann dabei. Zuletzt werkt der traurige Verteidigungsminister alleine am Umbau des Heeres.

Die ÖVP, die einst klar für Nato-Beitritt und Berufsheer stand, hatte angesichts des Wiener Bürgermeisters ihre Position geändert und die Wehrpflicht als politisch schützenswert wiederentdeckt. Die Angst vor Katastrophen wie Hochwasser hilft bei der Mobilisierung am flachen und hügeligen Land – nicht nur in gefährdeten Gebieten. Kein Wunder also, dass Erwin Pröll – auch nach den jüngsten Murenabgängen in der Steiermark – auf den Spuren seines Freundes Michael Häupl die Wehrpflicht als Wahlkampfthema für sich reklamiert und eine Volksabstimmung – oder wohl eher Volksbefragung – darüber fordert. Günther Platter, in Tirol aus einer wesentlich unbequemeren Ausgangslage als Pröll startend, reagierte verständlich begeistert, auch Vorarlbergs Markus Wallner sieht die Chance auf Profilierung und stimmte zu. Sogar Wolfgang Waldner müsste begeistert sein. Neben diesen strategischen Überlegungen sei den Landeshauptleuten auch ein handfestes Motiv für ihre Verteidigung der Wehrplicht zugestanden: Ein kleines Berufsheer würde Kasernen, Soldaten und dazugehörige Infrastruktur in den Ländern kosten.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Michael Spindelegger seinen Landeschefs ähnlich widerspruchslos wie einst Norbert Darabos seinem Chef folgen wird, alles andere wäre eine echte innenpolitische Sensation. Ob der ÖVP-Chef auch noch eine Abstimmung über das Sebastian-Kurz-Modell zum Ausbau der direkten Demokratie beim Koalitionspartner durchbringen wird, darf bezweifelt werden, aber probieren wird man es doch noch dürfen.

Sollte in diesem Herbst eine solche „verbindliche Volksbefragung“ abgehalten werden – eine Volksabstimmung gäbe es nur über ein Gesetz, also im Konkreten jenes zur Abschaffung der Wehrpflicht, diesem könnte die ÖVP nie zustimmen –, dürfte entgegen veröffentlichten Umfragen das Berufsheer in weite Ferne rücken. Denn wenn die ÖVP noch eins kann, ist es, in den kleinen Gemeinden und Städten zu mobilisieren: Dort zieht das Argument, eine neue Darabos-Armee könnte nicht mehr für umfassenden Katastrophenschutz sorgen. Und: Auch wenn die Neutralität zu einem großen Teil mit dem EU-Beitritt an der Brüsseler Garderobe abgegeben wurde, als lieb gewonnenes Denkmal funktioniert sie noch. Im Gegensatz zur Argumentation von Norbert Darabos ist es richtig, dass ein echter neutraler Staat mit allgemeiner Wehrpflicht glaubwürdiger ist als einer ohne, wie die Schweiz vorexerziert (Österreichs Neutralität ist das freilich auch mit allgemeiner Wehrpflicht nicht).

Prinzipiell spricht nichts dagegen und vieles dafür, dass die Wähler eine so wichtige Entscheidung selbst treffen und so der in solch entscheidenden Fragen taumelnden Regierung aushelfen. Was inhaltlich dann für die Nationalratswahl übrig bleibt, ist eine andere Frage, aber was interessiert das einen Landeshauptmann? Aufgrund der unsauberen Argumentation von SPÖ und ÖVP wird aber keine ehrliche, notwendige Weichenstellung vorgenommen. Zur Auswahl stehen nicht ein Nato-Beitritt, beziehungsweise das Eingeständnis der Aufgabe der Neutralität mit passend ausgestattetem Berufsheer einerseits, oder die Wehrpflicht mit reformiertem Präsenzheer und echter gelebter politischer Neutralität nach Schweizer Vorbild andererseits, sondern parteipolitisch motivierte Mischformen mit Ablaufdatum.

Also genau, was SPÖ und ÖVP sich trauen, dem Wahlvolk so zur Abstimmung oder Befragung vorzusetzen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.