Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

...wenn Sie sich weiter dem U-Ausschuss verweigern, nehmen Sie und Ihr Amt Schaden. Und sollte das Kontrollorgan abgedreht werden, dürfen Sie und Ihre Koalition mit Widerstand rechnen.

Nehmen wir das Beispiel Josef Cap, Herr Bundeskanzler. Ihr Klubobmann im Nationalrat hatte jahrelang ein angenehmes Leben in einer politischen Nische. Weder hatte er parteiintern die Relevanz noch die inhaltliche Widerstandskraft, sich und seinen Klub als ernst zu nehmende Größe in seiner Partei und der Innenpolitik zu etablieren. Dieser Umstand, seine unterhaltsame Rhetorik und sein ironisches Wesen haben dazu geführt, dass er bei Journalisten vergleichsweise beliebt war. Damit ist nun Schluss.

Josef Cap hat die Absurdität des aktuellen sozialdemokratischen Demokratieverständnisses in Worte gegossen: Sie müssten nicht vor den U-Ausschuss, hätten Sie doch vor laufender Kamera im TV-„Sommergespräch“ bei Armin Wolf zu den Vorwürfen Stellung genommen. Das reiche, so die jenseitige oder vielleicht witzig gemeinte Argumentation des Klubobmanns. Doch das reicht sicher nicht. Aufgrund zahlreicher ernster Vorwürfe und Verdachtsmomente in mehreren Fällen von undurchsichtigen Inseratenvergaben muss der damals verantwortliche Infrastrukturminister, also Sie, vor den U-Ausschuss. Es geht nämlich vor allem um die politische Verantwortung für dubiose Vorgänge, die sogar der SPÖ unangenehm wurden. (Sonst hätte Ihre Partei nicht beim Medientransparenzpaket mitgestimmt.)

Genau dafür gibt es einen U-Ausschuss, den Rest soll die Justiz klären. Zumal: Wenn es stimmt, was Sie und Ihre Mitarbeiter, allen voran Staatssekretär Josef Ostermayer, ständig sagen, dass nämlich viele große Inserate in auflagenstarken Boulevardmedien völlig selbstverständlich seien und ein zuständiger Infrastrukturminister dies nicht etwa erzwingen oder erbeten müsse, wäre ein Auftritt vor dem Ausschuss doch kein Problem. Dann sind doch alle Aussagen von Ex-Asfinag- und ÖBB-Managern völlig halt- oder harmlos. Oder ist die Angst vor der rhetorischen Überlegenheit eines Peter Pilz oder eines Stefan Petzner so groß? Stimmt, angenehm ist Ihnen ein solches Frage-Antwort-Spiel nicht, das war in Ihrem ORF-„Sommergespräch“ zu bemerken.

Es geht aber auch um Respekt. Sollten Sie sich als amtierender Bundeskanzler einem Ausschuss angesichts solcher Vorwürfe weiter verweigern – und jeder weiß, dass die Abgeordneten von SPÖ und offenbar auch die der ÖVP nur das tun, was der SPÖ-Chef will – werden Ihr Ruf und wohl auch Ihr Amt schwer beschädigt bleiben. Sie würden auch ganz klar signalisieren, dass Ihnen der Parlamentarismus völlig egal ist und geradezu überflüssig erscheint. Vom Vorwurf der Feigheit und dem Fehlen politischen Rückgrats ganz zu schweigen. Zumal die Tradition der finanziellen beziehungsweise politischen Verbeugung vor der „Krone“ gerade fröhlich weitergehen dürfte. Laut „Profil“ holt sich Norbert Darabos zwischen den politischen Verhandlungsterminen die Tipps direkt von „Krone“-Chef Dichand. Das ist aus Sicht des Ministers verständlich, aber einfach nicht sehr appetitlich.

Empfehlung. Nicht wenige in der Volkspartei glauben, dass es sogar ein Vorteil für den kleineren Koalitionspartner sein könnte, wenn ohne Auftritt im Ausschuss etwas an Ihnen „picken“ bliebe. In der ÖVP wird allerdings im Nachhinein alles zur Strategie erklärt, was zuvor schiefging. Und jede Gelegenheit genutzt, oben (also im Ausschuss) umzufallen, aber dafür unten (in Interviews) die starken Männer zu markieren.

Daher noch eine ernst gemeinte, aber durchaus konstruktive Empfehlung an Sie, Herr Kanzler, und Ihre Koalitionsregierung: Sollte der U-Ausschuss in der kommenden Woche unter dem Vorwand einer tatsächlich chaotischen Vorsitzführung einfach abgedreht werden, sind alle kleinen und großen Erfolge zur Sumpftrockenlegung wie der Beschluss der neuen Korruptionsgesetze wieder verloren. Der Widerstand wird lauter sein, als Sie sich das am Ballhaus heute gemütlich vorstellen. Ein abruptes Ende des U-Ausschusses werden viele Wähler und auch Medien nicht so einfach akzeptieren.



rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.