Gute und weniger gute Nachrichten aus der ÖVP

Die ÖVP-Vordenker können sich vorstellen, das 13. und 14. Gehalt anzugreifen. Das ist gut. Dass der Generalsekretär nicht erklärt, wie die ÖVP-Sanierung gelang, dumm.

Es gibt österreichische Besonderheiten, die man ausländischen Besuchern kaum erklären kann, ohne zu riskieren, das Land als überdimensionalen Ponyhof darzustellen. Das 13. und 14. Gehalt sind ein solches Spezifikum: Mit diesen Sonderzahlungen hilft der Staat dem tatsächlich unselbstständigen Lohnempfänger, sein Geld für den Urlaub und für Weihnachtsgeschenke aufzusparen. Das schafft er allein nämlich offenbar nicht, daher bekommt er nicht, wie in fast allen anderen Ländern, sein volles Jahresgehalt monatlich aufgeteilt, sondern eben in 14 Tranchen, davon meist eine zusätzliche im Juni und eine im Dezember. Interessanterweise ist noch niemand auf die Idee gekommen, eine halbe monatliche Zahlung für Ostern „aufzuheben“, aber vermutlich sollte man Gewerkschaft und Sozialpartner nicht auf neue lustige Ideen bringen.

Die ÖVP-Neigungsgruppe „Letzte Tabus“, genannt „Unternehmen Österreich 2025“, hat sich dankenswerterweise der Anomalie eines staatlich verordneten Weihnachts- und Urlaubsgeldes angenommen und die steuerliche Begünstigung infrage gestellt. Schöner und intelligenter für das Land wäre zwar eine solche „Begünstigung“, vulgo Steuersenkung, für alle Einkommen, aber alles, was in Richtung Vereinheitlichung geht, ist gut. Natürlich traut sich ÖVP-Chef Michael Spindelegger offiziell leider nicht an dieses sinnlose Tabu. Seine großzügig eingeladenen Querdenker haben den armen Mann bereits mit dem Vorschlag verschreckt, die gemeinsame Schule für Zehn- bis 14-Jährige als gutes Zukunftsmodell zu skizzieren. Aber immerhin: Spindelegger lässt einen derartigen Diskussionsprozess wenigstens zu. Die Nominierung von Ex-Innenminister Karl Blecha als neuem SPÖ-Programmierer lässt vermuten, dass Werner Faymann genau das verhindern will: einen offenen Prozess, in dem die neue Ausrichtung seiner Partei breit diskutiert wird. Kontrollfreaks sind in der Politik keine Seltenheit, in der SPÖ schon gar nicht.

Zumal Faymann ohnehin deutlich macht, wohin seine Reise geht: Am Montag brach er zu seinem neuen großen Vorbild auf, Frankreichs François Hollande. Der neue Linksausleger des Kontinents hat vor allem eine zentrale Vision: höhere Steuern für Unternehmen und für sogenannte Reiche. Das schürt den Neid und lenkt perfekt von der notwendigen Umstrukturierung des Landes und der Senkung der Staatsausgaben ab.

Letzter Punkt ist generell der weiße Fleck in der aktuellen innenpolitischen Debatte: Mit Verve werden da Wehrpflicht Ja/Nein und Vermögensteuern Ja/Nein diskutiert. Dass nach der nächsten Nationalratswahl wieder ein Sparpaket notwendig sein wird, bleibt elegant-ängstlich ausgeklammert. Bis jetzt blieb da nur der Scherz am Rande der Auftritte Frank Stronachs übrig: die Privatisierung der ÖBB. Das finanziell noch schwerer wiegende Thema Pensionen hat noch kein Spitzenpolitiker mit der notwendigen Ernsthaftigkeit angesprochen, verdrängen wird es sich aber weder in der SPÖ noch in der ÖVP lassen. Das gehört zu den automatisch eingebauten Mechanismen einer Großen Koalition.


Mit dieser Kulturtechnik arbeitet auch ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch ungeniert: Noch vor knapp einem halben Jahr hat er einen Schuldenberg seiner Vorgänger von mehreren Millionen Euro zu verantworten, bis zu fünf Millionen sind kolportiert worden. In wenigen Monaten gelang ihm ein kleines Wunder, die wundersame Geldvermehrung erklärt Rauch aber einfach so, als habe es den (späteren) Beschluss des Transparenzgesetzes nicht gegeben: ein bisschen Sanierung hier, ein paar Spenden da. Von wem die genau kommen, sagt der Mann nicht. Der Rechnungshof weiß Bescheid, veröffentlichen darf er es nicht.

Genau das ist aber der zentrale, durchaus persönliche Punkt in der Politik Michael Spindeleggers: Seine Integrität sollte ihm wichtig genug sein, diese Geldflüsse fünf vor zwölf (also dem Beschluss der neuen Regeln zur Parteifinanzierung) offenzulegen. Das verlangen auch alte bürgerliche Tugenden wie Anstand und Ehrlichkeit. Dann stünde er im Gegensatz zum U-Ausschuss-Flüchtling Faymann besser da. Und nicht nur in der Bereitschaft, offen und notfalls intern verstörend diskutieren zu lassen.

E-Mails anrainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2012)

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