Wenn schon sparen, dann wenigstens intelligent!

Die EU könnte sich fünf Prozent Einsparungen im Agrarbudget holen, ohne dass ein Bauer um die Förderung umfiele. Stattdessen wird wieder am falschen Ort gekürzt.

Das Budget der Europäischen Union besteht überwiegend aus zwei großen Brocken: 45,9 Prozent der heuer geplanten Ausgaben von 147,2 Mrd. Euro gehen für den Bereich „nachhaltiges Wachstum“ (also im Wesentlichen für Regionalförderungen) drauf, 40,8 Prozent für Agrarförderungen. Der Rest sind Peanuts.

Wer sparen will, muss also in diese beiden Bereiche hineinschneiden. Das tut weh. Strukturschwache Gebiete „abzudrehen“ kann mitten in einer Wirtschaftskrise nämlich keine Option sein. Und das wirklich völlig jenseitige EU-Agrarsystem zu limitieren bringt diese strukturschwachen Gebiete noch stärker unter Druck. Denn sie sind eben im Schnitt stärker agrarisch geprägt.

Man wird jetzt also aus finanzieller Not heraus die Ausgaben um fünf Prozent kürzen, und das wird, da muss man kein großer Prophet sein, ausgerechnet den Bereich „nachhaltiges Wachstum“ treffen. Denn die europaweit unverhältnismäßig mächtigen Agrarlobbys werden ebenso wie die Regierungen der EU-Schwergewichte Deutschland und Frankreich (die das ja schon angekündigt haben) zu verhindern wissen, dass das Messer beim Agrarbudget zu fest angesetzt wird.

Das ist wenig intelligent, weil damit erneut die Chance vergeben wird, eines der ineffizientesten und unsinnigsten Fördersysteme dieses Globus echt zu reformieren. Am Agrarsystem wird zwar da und dort ein bisschen herumgeschnipselt und Fördergeld von einer in die andere „Säule“ verschoben, aber eine echte Reform ist nicht in Sicht. Nicht einmal an eine Beseitigung der schlimmsten Auswüchse (etwa Millionen an Agrarförderung für riesige Nahrungsmittelkonzerne und Megagüter wie jene des britischen Königshauses) ist gedacht. Wozu denn auch? Für die Großprofiteure läuft es ja ohnehin prächtig, die kleinen Bauern bekommen auch ein paar Brösel vom Kuchen ab, und den Konsumenten kann man ja mit einer sorgfältig gepflegten „Ernährer“-Ideologie das Geld widerstandslos aus der Tasche ziehen.

Dabei hat das in der Union praktizierte Agrarsystem wie jedes System, das Marktwirtschaft mit urkommunistischer Planwirtschaft vermengt, grauenhaft versagt: Es fließen zwar 60 Milliarden Euro im Jahr in dieses strukturkonservierende System. Aber diese können nicht verhindern, dass das „Bauernsterben“ ungebremst weitergeht, und sind auch nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass es zumindest großen Betrieben gelingt, auf eigenen Füßen zu stehen.

Das ist kein Wunder, denn die Kombination aus Markteingriffen auf allen Produktionsebenen und leistungsunabhängigen Direktzahlungen führt dazu, dass sich erstens keine vernünftigen Produzentenpreise bilden können und zweitens äußerst ineffizient produziert wird. Es gibt ja (anders als in der „richtigen“ Wirtschaft) keinerlei Marktdruck hin zu effizienter Produktion. Und damit auch keinen Druck, zu vernünftigen Betriebsgrößen und zu rationellem Maschineneinsatz zu kommen.

Oder, wie ein aufgebrachter Landwirt auf die Anmerkung in der „Presse“, mehrere Traktoren auf einem 15-Hektar-Hof seien vielleicht eine kleine Übertreibung, meinte: „Ich bin ja nicht deppert, dass ich jedes Mal meine Maschinen umhänge.“ Wozu denn auch? Zahlt ja eh der Steuerzahler.

Wenn die EU also sinnvoll sparen wollte, dann würde sie sich jenen 44 Milliarden Euro schweren Teil der Agrarförderung vornehmen, der unter „Direktbeihilfen und marktbezogene Ausgaben“ firmiert. Da sind fünf Prozent des EU-Budgets locker zu holen, ohne dass ein einziger kleiner Bauer (für die das Fördersystem ja angeblich gedacht ist) auch nur einen einzigen Cent verliert. Nestlé würde dann etwas weniger in der Kaffeekasse haben, und die Royals müssten vielleicht die Nobelkeksproduktion ihres Thronfolgers einschränken. Wenn dann in einem zweiten Schritt die Förderung für die verbleibenden echten Bauern auch noch an Effizienzkriterien geknüpft würde, dann hätten wir fast schon eine sinnvolle Reform, die zudem noch die Branche wettbewerbsfähiger machen würde, beisammen.

Das würde aber die Macht der europäischen Agrarlobbys beschränken. Dann also doch lieber die Regionalförderung...

E-Mails an: joserf.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2012)

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