Obamas Versöhnerpose allein wird den USA nicht weiterhelfen

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Sechs Milliarden Dollar und eineinhalb Jahre Aufmerksamkeit band der inhaltsarme US-Wahlkampf. Heraus kam dasselbe Resultat wie zuvor: Blockade und Stillstand.

In seiner Siegesrede legte Barack Obama seine Greatest-Hits-Platte auf, und da durfte natürlich auch die Versöhnernummer nicht fehlen. „Wir sind keine blauen und roten Staaten, wir sind die Vereinigten Staaten“, rief der Präsident nach seiner Wiederwahl in den jubelnden Saal. Die Melodie geht ins Ohr. Obama verdankt der Brückenbauerballade seine Karriere, hat mit ihr 2004 beim Parteitag der Demokraten den Durchbruch auf bundesweiter Bühne geschafft. Vier Jahre später schürte er Hoffnung mit ähnlichen Erlösersprüchen und gewann die Wahl zum ersten Mal.

Obama hat natürlich recht, wenn er weiterhin zu Kompromissbereitschaft aufruft. Denn anders kann es in Machtstrukturen, die zum Teil im Griff der Opposition sind, zu keinen Entscheidungen kommen. Die Republikaner beherrschen auch nach dieser Wahl das Repräsentantenhaus. Zudem haben sie im Senat trotz Mehrheit der US-Demokraten weiterhin Blockademöglichkeiten.

Die Republikaner waren in den vergangenen Jahren auf dem Obstruktions-Highway unterwegs. Mitch McConnell, der Minderheitsführer im Senat, gab offen die Losung aus, dass es seine oberste Priorität im Kongress sei, die Wiederwahl Obamas zu verhindern. Dieses Ziel haben er und seine Kollegen nun ziemlich deutlich verfehlt. Die Amerikaner stärkten mit ihrem Votum dem US-Präsidenten den Rücken und legitimierten nachträglich durchaus umstrittene Gesetze wie die Gesundheitsreform.

Obama hofft nun deshalb, die Republikaner mit öffentlichem Druck zu Konzessionen bewegen zu können. Es droht ein Absturz in den budgetären bzw. konjunkturellen Abgrund („fiscal cliff“): Einigt sich der Kongress nicht auf eine Haushaltskonsolidierung, treten automatisch Kostenkürzungen und Steuererhöhungen in Kraft, deren Umfang insgesamt fünf Prozent der US-Wirtschaftsleistung entspricht. Das Land fiele zurück in eine Rezession.

Obama wäre in dieser Konstellation gut beraten, seinen Gegnern nicht nur in Reden, sondern auch inhaltlich entgegenzukommen. Bisher existierte seine Kompromissbereitschaft fast ausschließlich als rhetorische Figur. Obama mied den Kontakt zur Opposition, die ihm freilich feindselig gegenüberstand. Die Sparvorschläge einer von ihm selbst eingesetzten Schuldenkommission schob er auf die lange Bank.

Trotz (oder vielleicht sogar wegen) aller Messiasposen, die Obama zur Schau trägt, hat sich die Polarisierung der USA unter seiner Präsidentschaft verschärft. Durch das Land geht ein Riss, es ist ziemlich genau in zwei Hälfte gespalten. Man kann es auch diesmal am prozentualen Ergebnis der Präsidentenwahlen ablesen: Rund 50 Prozent stimmten für Obama, 48 Prozent für Romney. Vertieft wird der Graben dadurch, dass den Republikanern zusehends die Fähigkeit abhandengekommen ist, Minderheiten wie Schwarze, Hispanics oder Asiaten anzusprechen. Diese strukturelle Schwäche wird sich durch die demografische Entwicklung künftig verschärfen, wenn die Grand Old Party nicht gegensteuert.

Kein Erfolgsrezept scheint auch zu sein, an den rechten Rand zu driften. Die Tea Party war Obamas bester Wahlhelfer; sie eignete sich wunderbar als abschreckendes Feindbild. Idealer als bei dieser Wahl hätten angesichts hoher Arbeitslosen- und Schuldenrate die Rahmenbedingungen für die Opposition kaum sein können. Trotzdem ist offen, welche Lehren die Republikaner aus der Niederlage ziehen. Eiferer werden die Erklärung darin suchen, dass der letztlich allzu glatte Mitt Romney, der im Finish gemäßigt auftrat, die reine Lehre verraten habe.


Nie war so deutlich, wie dysfunktional das politische System der USA mittlerweile geworden ist. Sechs Milliarden Dollar verschlang dieser Wahlkampf, fast eineinhalb Jahre band er die politische Aufmerksamkeit. Hängen geblieben ist außer ein paar skandalisierten Sagern wenig. Was für eine Vergeudung von Ressourcen! Und heraus kam nach all dem törichten Lärm dasselbe Ergebnis wie zuvor: ein wolkiger Ankündigungspräsident, den der Kongress blockiert.

Amerika wäre definitiv schon geholfen, wenn die polarisierenden Wahlkämpfe verkürzt werden könnten. Aber vermutlich denken die Spin-Doktoren schon an die nächste Wahl.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2012)

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