Die Kommunisten als die besseren Sozialdemokraten – das ist die romantische Vorstellung. Die realpolitische sieht so aus: Franz Voves ist seinen Gegner los.
Im Grazer Stadtteil Gries gelang es der Kommunistischen Partei Österreichs am vergangenen Sonntag die relative Mehrheit zu erobern. Ein Arbeiterbezirk mit hohem Ausländeranteil, der andernorts für Sozialdemokraten – und seit geraumer Zeit auch für Freiheitliche – ein idealtypisches Wählerreservoir darstellt. Nicht so in Graz.
Da vertrauen die Menschen, vor allem jene aus den schwächeren sozialen Schichten, lieber den Kommunisten. Also Vertretern einer Ideologie, die seit gut zwanzig Jahren auf dem Komposthaufen der Geschichte vor sich hin verrottet. Einer Weltanschauung, die für viele Gutes wollte und vielfach Böses schuf. Und in ihrer Theorielastigkeit an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen, gerade auch jener, die sie zu vertreten vorgab, oft weit vorbeisegelte. Überlebt haben nur jene – wie etwa in China – die ihre Ideologie gleich neben den verstaubten Marx-, Engels- und Lenin-Werken abgelegt haben.
In gewisser Weise ähnlich gemacht haben es die Grazer Kommunisten. Auch sie tragen ihre Ideologie nicht mehr vor sich her. Sie haben sie zwar nicht abgelegt, ihr Handeln wird aber nicht davon bestimmt, schon beim Aufwachen daran zu denken, wie denn die ungerechte Welt heute am besten umzuwälzen wäre. Revolutionär nämlich. Es reicht ihnen, sich der Alltagsnöte der Bevölkerung anzunehmen, bürgernah, mit offenen Büros und anscheinend im Sinn ihrer Klientel auch effizient.
Die nicht uncharismatische Grazer KP-Ikone Ernest Kaltenegger hat dies vor Jahren eindrucksvoll vorgemacht, die vergleichsweise unscheinbare Elke Kahr steht ihm nun mit 19,9 Prozent um nichts nach. Was man daraus lernen kann: Es braucht nicht unbedingt eine schillernde Persönlichkeit, manchmal reicht auch seriöse Sacharbeit.
Der wahre Sieger der Graz-Wahl – neben den Kommunisten – ist allerdings einer, der deren Welt auch ganz gut kennt: Franz Voves, Sohn eines Arbeiters und KPÖ-Gemeinderats, und heute Landeshauptmann der Steiermark. Und das, obwohl seine SPÖ in Graz 4,4 Prozentpunkte verloren hat und mittlerweile nur noch bei inferioren 15,3 Prozent liegt.
Hatte es Franz Voves bisher ganz gut verstanden, seinen ÖVP-Kontrahenten Hermann Schützenhöfer auf Distanz zu halten – erst durch Konfrontation, dann durch Einbindung –, so musste er doch fürchten, dass eines Tages Siegfried Nagl, jener Mann, der für die ÖVP Graz erobert hatte, sein Gegner auf Landesebene wird. Wäre bei der vergangenen Landtagswahl nicht auch das Grazer Ergebnis so schlecht gewesen, die Rochade Nagl statt Schützenhöfer wäre dem Vernehmen nach schon damals über die Bühne gegangen.
Doch seit vergangenem Sonntag kann sich Franz Voves entspannt zurücklehnen: Von Siegfried Nagl hat er nichts mehr zu befürchten. Der Grazer Bürgermeister, bisher immer wieder als Vorbild und Zukunftshoffnung für die Volkspartei in Land und Bund gepriesen, hat eine mehr als deutliche Niederlage erlitten. Er wollte die absolute Mehrheit – geworden sind es 33,7 Prozent. Nur die Zersplitterung des linken Lagers in drei Parteien zwischen zwölf und zwanzig Prozent ermöglicht es ihm, weiterhin den Anspruch auf den Bürgermeistersessel erheben zu können. Dieser steht ihm freilich auch zu, so schlecht hat er es bisher nicht gemacht. Ob es künftig für mehr reicht, darf nach diesem Wahlsonntag jedoch bezweifelt werden.
Die Ausgangsposition für die nächste Landtagswahl könnte für Franz Voves also nach derzeitigem Stand nicht besser sein. Er hält sich zwar bedeckt, ob er noch einmal antritt, doch angesichts der Konkurrenz könnte ihm die Entscheidung leichtfallen. Wie man mit Schützenhöfer umgeht, weiß er schon. Und mit Nagl ist wohl nicht mehr zu rechnen.
Voves' größtes Problem ist wahrscheinlich jenes, dass seine Partei an ihrem linken Flügel – angesichts der in diesen Kreisen unpopulären, aber notwendigen Spar- und Reformmaßnahmen – abbröckeln könnte. Und somit die Kommunisten einmal mehr einen Wahlerfolg feiern könnten. In der Steiermark ist das, wie wir gesehen haben, möglich.
Aber notfalls legt Voves dann eben schnell noch mal die alte Reichensteuerplatte auf.
E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2012)