Weg frei für Italiens Traumverkäufer und Populisten

Dass Mario Monti das Handtuch wirft, ist konsequent. Berlusconi hätte ihn nur noch erpresst. Der Medienzar wird jetzt mit Anti-Europa-Parolen auf Stimmenfang gehen.

Im Gespräch mit dem deutschen Fernsehen hatte Premier Mario Monti vielen Italienern aus der Seele gesprochen, als er genervt anmerkte: Italien werde im Ausland immer als „lustiges, undiszipliniertes Land“ dargestellt. Aber derzeit sei es in seiner krisengebeutelten Heimat „wirklich nicht besonders lustig“.

Genau danach – nach einem normalen, langweiligen Land – haben sich viele Italiener gesehnt, als der seriöse Professor vor 13 Monaten mit seiner Technokraten-Regierung antrat. Nicht nur, weil dem ehemaligen EU-Kommissar zugetraut wurde, das wirtschaftlich stagnierende Land mit seinem Schuldenberg wieder auf die Beine zu bringen. Sondern vor allem, weil mit dem disziplinierten Ökonomen ein klarer Schlussstrich unter die Ausschweifungen der Berlusconi-Ära gezogen wurde, die Italien zum Clown Europas gemacht hatten. Tatsächlich hat es Monti mit seinem – demokratisch nicht gewählten – Team geschafft, Italiens Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Durch eine Radikalkur bewahrte er das Land vor dem Bankrott. Europas lächerliches Stiefkind wurde zu Brüssels Liebkind.

Auf welch fragilen Beinen Montis Reformkurs steht, haben die vergangenen Tage gezeigt. Der wegen seiner Skandale und Justizprobleme längst politisch totgesagte Silvio Berlusconi hat es geschafft, in knapp 48 Stunden all die Bemühungen Montis nach einer neuen Sachlichkeit in der Politik zunichtezumachen: Zeitgleich mit seiner Kandidaturankündigung entzog der 76-Jährige der Monti-Regierung das Vertrauen. Nicht, weil ihm der Inhalt des zur Abstimmung stehenden Maßnahmenpakets nicht passte. Sondern als persönliche Rache dafür, dass ein Monti-Minister sich besorgt über Berlusconis Comeback geäußert hatte. Dass Monti geht, ist verständlich: Der Medienzar hätte ihn kontinuierlich erpresst.

Zu erwarten ist nun eine auf Persönlichkeitskult, Hetze und absurde Versprechen hin ausgerichtete Wahlkampagne – Populismus nach altbewährter Berlusconi-Manier also. Neben Montis „unpatriotischem Sparkurs“ kann man sich auf Tiraden gegen „Kommunisten“ (die italienischen Linksdemokraten), die zu Einsparungen mahnenden Deutschen und den unpopulären Euro einstellen. Werbeprofi Berlusconi kontrolliert übrigens immer noch einen Großteil des TV und der Zeitungen.

Mit dem Anti-Europa- und Anti-Sparprogramm befindet sich Berlusconi in bester Gesellschaft: Sein Rivale, Ex-Komiker Beppe Grillo, punktet derzeit bei sämtlichen Wahlen und Umfragen mit ähnlichen Anti-Europa-Parolen. Die beiden Politiker haben bis zu 45 Prozent der Wähler hinter sich.

Von den Linksdemokraten kommen indes wenige Anzeichen für einen Erneuerungswillen: Immer noch bestimmen die mächtigen Gewerkschaften den Kurs der Partei mit.

Will man optimistisch sein, gibt es einen vagen Hoffnungsschimmer: dass unter der Ägide Montis doch noch eine Koalition zustande kommt, die glaubhaft die Politik des Professors fortführen wird. Denn das Rezept, um Italien zu retten, basiert auf einer Reform der Wirtschaft und der ineffizienten Institutionen. So sind Maßnahmen zur Ankurbelung des Wachstums ebenso notwendig wie weitere Privatisierungen und Liberalisierungen. Längst fällig sind die Reform des schwerfälligen Justiz- und Verwaltungsapparates oder schärfere Gesetze, um die Korruption zu bekämpfen.

Die Frage ist, ob Monti und seine Gesinnungsgenossen imstande sind, die Italiener zu überzeugen. Fast jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos, Familien schaffen es nicht, mit ihren Gehältern bis zum Ende des Monats auszukommen, ein Kleinunternehmer nach dem anderen meldet Konkurs an. Die Bevölkerung ist nach jahrelanger Rezession müde, ausgelaugt – und die Skepsis gegenüber der Politik ist so hoch wie nie.

Es wäre schön, wenn Italien irgendwann ein ganz normales, langweiliges Land werden würde. „Wir waren so nahe dran“, klagte gestern die Zeitung „La Stampa“. Entscheiden müssen das jetzt die Wähler. Derzeit deutet aber vieles darauf hin, dass Italien ein gutes Jagdrevier für Traumverkäufer und Populisten ist.

E-Mails an: susanna.bastaroli@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2012)

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