Sehr schade, verehrte Frau Landeshauptfrau

Vielleicht ist die Enttäuschung über den Mangel an politischer Verantwortung in Salzburg so groß, weil Gabi Burgstaller die ewige politische Nachwuchshoffnung war.

Einen Augenblick blitzte jenes sagenumwobene Talent auf, das in der nicht ganz unverdorbenen politischen Szene gerühmt wird: David Brenner spielte kurz nach Bekanntwerden des Finanzskandals einfach den „Aufdecker“ desselben, obwohl er in seine politische Verantwortung fällt.

In seinem Ressort hat, wie berichtet, eine Beamtin 340 Millionen Euro verspielt. Auch wenn sie vertuscht und mit falschen Zahlen operiert haben sollte: Dass da hoch riskante Geschäfte getätigt werden, die die David Brenners dieser Welt sonst so gern als solche des neoliberalen Teufels geißeln, musste er und musste seine Landeshauptfrau wissen.

In einer Demokratie wie in Deutschland nimmt der zuständige Ressortchef am Tag nach Bekanntwerden eines solchen Falls automatisch den Hut. In Österreich gibt er eine Pressekonferenz, schaut treuherzig bis aufopfernd und hofft, damit durchzukommen. Im konkreten Fall gelang der bisherigen Nachwuchshoffnung Brenner der Aufdeckerschmäh übrigens nicht. An den selbstverständlichen Rücktritt dachte er aber sichtlich und hörbar natürlich dennoch nicht. Vielleicht weil dieser in Österreich als das gesehen würde, was er eigentlich nicht sein sollte: ein Schuldeingeständnis.

Persönliche Konsequenzen aus einem solchen Fall zu ziehen hieße aber eigentlich nur, die politische Verantwortung zu übernehmen. So groß die Schadenfreude in der Bundes-SPÖ und natürlich bei deren Koalitionspartner ÖVP ist, so groß dürfte bei vielen politischen Beobachtern die Enttäuschung über Gabriele Burgstaller, Brenner und ihre politische Kultur sein. Von dieser unkonventionellen und offen kommunizierenden Politikerin hat man sich immer mehr erwartet als von den grauen Funktionären in den Parteien und den testosterongeleiteten Landeshauptleuten, die allesamt unsere Politik prägen. So klingt auch das vermeintliche Argument zur Entlastung der Spekulationen im Hause Burgstaller nicht sehr überzeugend: Das haben doch, bitte schön, alle so gemacht! Auch in Niederösterreich und Wien sei doch heftig gespielt worden, vom Vermögen der Stadt Linz ganz zu schweigen.

Nun, erstens wissen wir seit dem Kindergarten, dass die Erklärung, dass alle schubsen und stoßen keine Entschuldigung für Schubsen und Stoßen ist. Und zweitens geht es bei der Verantwortung um den Mangel an Kontrolle und später offenbar um den Versuch, den Fall von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Eduard Paulus, der Vorgesetzte der lange gelobten Finanzexpertin, war als Chef der Offiziersgesellschaft übrigens den langen Tag damit beschäftigt, Stimmung gegen den Verteidigungsminister – zu Recht oder zu Unrecht – zu machen. Der Mann hatte entweder zu viel Freizeit und/oder zu wenig Arbeitszeit (für die notwendige Kontrolle), beides ist ein weiteres Problem des Duos Brenner und Burgstaller.

Besonders billig wirkt der Versuch, die Schuld ausschließlich der Betroffenen beziehungsweise den beauftragten Banken umzuhängen: Die haben – laut bisherigen Informationen – sehr wohl vor dem Risiko gewarnt. Und seit 2008 weiß jeder Zeitungsleser, der vom Fall Lehman Brothers gehört hat, dass hohe Renditen immer ein hohes Risiko bedeuten. Das, was Sozialdemokraten nicht erst seit diesem Jahr leidenschaftlich gern bekämpfen, herrschte ausgerechnet in der SPÖ-geführten Salzburger Landesregierung oder der Linzer Stadtregierung: die Gier. Vermeintliche, also später behauptete Unwissenheit macht das nicht ungeschehen. 2008 dürfte man in Salzburg schon von möglichen massiven Zinsverlusten gewusste haben, wie am Montag bekannt wurde. Vor wenigen Wochen war inklusive Geständnis alles auf dem Tisch, im Budgetausschuss sagte Finanzlandesrat Brenner trotzdem noch immer kein Wort.

Natürlich haben nun alle jene recht, die mehr Kontrolle bei den Finanzgeschäften von Ländern und Kommunen fordern: Es zeugt nicht von gefährlichem Zentralismus, sondern von Kontrolle über Steuergeld, bevor es ausgegeben oder veranlagt wird. Ob das nun die Bundesfinanzierungsagentur oder ein einheitliches Finanzmanagement in lokalen Dependancen übernimmt oder ob stärker kontrolliert wird, mögen die Spezialisten klären. Landespolitiker aber besser nicht.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2012)

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