Zwei ungewöhnliche Politiker, zwei ungewöhnliche Zugänge

Der eine will kandidieren, dann aber kein Mandat. Der andere will nicht kandidieren, würde dann aber zur Verfügung stehen. Über Frank Stronach und Mario Monti.

Nun also doch nicht. Mario Monti, der italienische Premierminister, möchte nicht als Spitzenkandidat einer Partei der Mitte bei den Wahlen im Februar antreten. „Etwas in meinem Inneren sagt mir: Nein“, meinte er in der Zeitung „La Repubblica“. Er würde aber, ergänzte Monti später in einer Pressekonferenz, nach den Wahlen zur Verfügung stehen, er wäre sogar wieder zur „Übernahme der Führung“ bereit, wenn ein Parteienbündnis mit diesem Wunsch an ihn herantreten würde.

Eine doch eher ungewöhnliche Überlegung: Die einzelnen Parteien treten mit ihren jeweiligen Spitzenkandidaten an – oder ihm Rahmen eines Bündnisses –, und nach geschlagener Wahl übernimmt dann wieder der bisherige Übergangspremier das Ruder.

Monti erspart sich somit die Wahlkampfauseinandersetzung. Seine Agenda hat er gestern jedenfalls schon einmal präsentiert: politische und wirtschaftliche Reformen, Erneuerung des Justizsystems, Kampf gegen Korruption. Zudem warnt er vor dem Populismus im Allgemeinen und jenen Parteien im Besonderen, die die Abschaffung unpopulärer Steuern versprechen. „Man muss illusionäre Schritte zurück verhindern.“ Diese hätten verheerende Folgen für das Land.

Unzweifelhaft war dies auch auf seinen Vorgänger Silvio Berlusconi gemünzt, der als – zumindest in der gängigen Farbenlehre – bürgerlicher Politiker ein hoch verschuldetes Land hinterlassen hat. Schlechter hätten das die zu Sozialdemokraten gewandelten Kommunisten auch nicht hinbekommen.

Mario Monti, der Technokrat, hat seine Sache bisher sehr gut gemacht. Und damit auch das Bonmot widerlegt, dass es Italien am besten geht, wenn es gar keine Regierung hat. Andererseits hat er es auch irgendwie bestätigt: Eine Regierung hatte Italien zwar, aber keine parteipolitische, sondern eine mit Experten besetzte.

Dennoch mutet es seltsam an, wenn sich Monti nun nicht selbst dem Urteil des Wählers stellt – und damit auch die reformorientierten Kräfte schwächt, indem er sich als einigende Galionsfigur aus dem Rennen nimmt. Und dass der oder die Wahlsieger vom Februar 2013 Monti dann auf Knien bitten werden, doch an ihrer statt die Führung des Landes zu übernehmen, scheint auch nicht allzu wahrscheinlich.

Den umgekehrten Weg beschreitet derzeit ein von (s)einer politischen Mission erfüllter Unternehmer: Nein, nicht Silvio Berlusconi. Sondern der immerhin ein wenig artverwandte Frank Stronach. Dieser will in Niederösterreich nun zwar antreten, sogar als Spitzenkandidat, aber danach nicht dafür zur Verfügung stehen, wofür er gewählt wurde. Sprich: In einen Landtag setzt er sich nicht. Er wird sich mit ziemlicher Sicherheit auch in keinen Nationalrat setzen.

Da gibt es freilich Präzedenzfälle: Eva Glawischnig hat ebenso für den Kärntner Landtag kandidiert, ohne an einer einzigen Sitzung teilzunehmen, wie es nun auch BZÖ-Chef Josef Bucher vorhat. Und dass Erwin Pröll, sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass er nicht wieder Landeshauptmann wird, dann sein Landtagsmandat annimmt, ist ebenso abwegig wie 15 Grad zu Weihnachten (gut, das war jetzt vielleicht ein schlechter Vergleich).

Das ändert nichts daran, dass es sich hierbei – im Fall Stronach, Glawischnig und Bucher – doch um eine Form der Wählertäuschung handelt. Die allerdings auch der dümmste Wähler durchschaut. Und die im Falle Glawischnigs sogar von Erfolg gekrönt war – zumal sie mit Rolf Holub auch noch einen Statthalter gefunden hat, der in seine Aufgabe mehr als hineingewachsen ist. Bucher wird auch dieser Trick nichts nützen. Stronach möglicherweise schon.

Beide, der schillernde Stronach wie der nüchterne Monti, setzen in ihrer Agenda auf Vernunft, die Abkehr von der Schuldenpolitik und den Verlockungen, die geradewegs in die Korruption führen. Und doch ist das diesbezügliche Vertrauen in Monti weit größer – weil er es auch schon bewiesen hat. Vielleicht schaut sich Stronach, der sich ja gern mit Experten und Weisen umgibt, da noch ein Stückchen ab.

Und dass sich Österreich heutzutage – ausgerechnet – an Italien ein Beispiel nehmen kann, ist dann ohnehin eine Pointe für sich. Monti-Rückzieher Seite 4

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2012)

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