Ein Plädoyer für die rasche Besachwalterung der Länder

Das Finanzchaos in Salzburg sollte Anlass geben, die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern neu zu regeln. Ein Spekulationsverbot reicht nicht.

In der Salzburger Spekulationsaffäre liegt jetzt, vier Wochen nach deren Auffliegen, also ein „Zwischenbericht“ vor. Einer, der ein einziges Plädoyer für die finanzielle Besachwalterung der Länder ist.

Kurz zusammengefasst: Nix Genaues weiß man noch immer nicht. Das Land Salzburg hat hunderte Millionen Euro (teils Steuergeld, teils mit Steuergeld zurückzuzahlende Kredite) „offenbar veranlagt“. Man weiß aber nicht wirklich wie viel, wo und wie. Und vor allem nicht, was da unterm Strich als Gewinn/Verlust herauskommt, wie hoch der „Barwert“ der gekauften Wertpapiere ist oder ob die einfach „bar jeden Werts“ sind. Ein einziger Sauhaufen, auf gut Älplerisch gesagt.

Da drängt sich zuerst einmal ein Vorschlag zur Verwaltungsreform auf: Die Büros des Salzburger Finanzlandesrats und des Landesfinanzdirektors können locker durch Anrufbeantworter mit der Ansage „Keine Ahnung“ und „Wos was i“ ersetzt werden. Kommt deutlich billiger als zwei höchst bezahlte, aber offenbar inkompetente Repräsentationsauguste – und hat denselben Effekt.

Entwaffnend ist unter anderem das Eingeständnis, dass man noch immer nicht wisse, was mit knapp 600 von der Bundesfinanzierungsagentur ausgeliehenen Millionen Euro geschehen ist. Diese hat die Millionen nämlich nicht in der Schreibtischlade liegen, sondern borgt sie ihrerseits aus. Das Ergebnis nennt man dann „Staatsschulden“, und die sind auch ohne Bundesländerzockereien schon hoch genug.

Dass die Bundesfinanzierungsagentur für die Länder zwar Geld aufstellen, dieses aber mit keinerlei „Mascherl“ versehen darf, ist ein weiterer Mosaikstein im närrischen Treiben des heimischen Föderalismus: Was das Land mit den Krediten macht, geht die „Bank“ nichts an. Nur wenn Darlehen weitergegeben werden – etwa an einen Wohnbaufonds–, muss das „gemeldet“ werden.

In einem derartigen System, das schwarze Finanzlöcher geradezu provoziert, mutet das „Spekulationsverbot“, das den Ländern jetzt per §15a-Vereinbarung aufgedrückt werden soll, mehr als lächerlich an. Zum einen gibt es ja auch Spekulationen, auf die man eher nicht verzichten sollte (in Form von echten Absicherungsgeschäften). Und zum anderen scheint niemand zu wissen, was unter Spekulation zu verstehen ist.

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl etwa konnte vor ein paar Tagen – unter beifälligem Nicken seines Studio-Wien-Chefs – allen Ernstes erklären, einen Franken-Kredit als „Spekulation“ zu bezeichnen sei „absurd“. Wie so eine Nichtspekulation zu einem aktuellen Buchverlust von 300 Millionen Euro kommt, vergaß das Landeshauptmann-TV leider nachzufragen.

Allerdings: Wien weist diesen Buchverlust wenigstens aus. In den meisten anderen Ländern – Salzburg ist nämlich buchstäblich überall – tappt man aber im Dunkeln. Dafür sorgt eine aus dem 16. Jahrhundert stammende Buchführungstechnik namens „Kameralistik“, die sich damals vorzüglich zur Verwaltung fürstlicher Güter geeignet haben mag, für auf internationalen Finanzmärkten spekulierende Länder aber völlig ungeeignet ist.


Wollte man aus Salzburg Lehren ziehen, dann müsste man also die lächerliche Spekulationsverbotvereinbarung gleich wieder vergessen, dafür aber drei Schritte – in genau dieser Reihenfolge – setzen:

•Einen umfassenden Kassensturz in allen Bundesländern, bei dem alle Finanzprodukte nach ihrem Marktwert („mark to market“) bewertet werden.

•Eine beherzte Umstellung der Bundesländerbilanzierung auf brauchbare, moderne Buchführungsmethoden.

•Eine völlige Neuordnung der finanziellen Land-Bund-Beziehungen. Entweder die Länder bekommen Steuerhoheit und sind für ihre Finanzen dann allein verantwortlich. Oder (was vernünftiger wäre) sie ziehen sich auf die reine Verwaltungstätigkeit zurück und überlassen eine transparente Gestion dem Bund.

Freilich: Dafür müsste sich die Regierung neun Landeshauptleute halten – und nicht umgekehrt. Eine vernünftige Umkehr wird es realpolitisch also wohl erst geben, wenn das letzte unfähig zockende Bundesland endgültig pleitegegangen ist.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2013)

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