Den Status quo nicht einmeißeln

Am Sonntag geht es vordergründig um Boulevardzeitungen und Norbert Darabos. Ihnen darf man nicht zu viel Macht geben. Man sollte längerfristiger denken.

Da sie so schön ist, an dieser Stelle noch einmal die Entstehungsgeschichte dieser Volksbefragung: Es war der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der eine Woche vor seiner Gemeinderatswahl einen Schwenk der Bundespartei beschloss. Statt wie in Verfassung, SP-Parteiprogramm und Regierungsübereinkommen festgeschrieben, sollte die allgemeine Wehrpflicht zugunsten eines Berufsheeres aufgegeben werden. Die „Krone“ wollte diesen Wechsel schließlich schon lange.

Vor dem „Krone“-Telefoninterview informierte Häupl noch schnell Bundeskanzler Werner Faymann über die völlige Neupositionierung der SP-Sicherheitspolitik, höflichkeitshalber sogar auch den eigentlich zuständigen Verteidigungsminister. Für Norbert Darabos, Ex-Bundesgeschäftsführer mit starkem Geschichtsbewusstsein, war dies unangenehm. Er hatte sogar in der „Krone“ in einem kleinen tapferen Gastkommentar für den Präsenzdienst Stellung bezogen. Die Amnesie setzte bald ein. Häupl hielt dennoch nicht die absolute Mehrheit.

Aber vielleicht funktioniert der gleiche demokratiepolitische Schmäh beim zweiten Mal. Erwin Pröll bestellte die Volksbefragung zum Thema knapp vor seiner Wahl. Um seine Absolute zu retten. Die ÖVP hatte davor den gegenteiligen Schwenk im Auftrag ihrer Bundesländer vollzogen: Deren alte Forderung nach Berufsheer, offiziellem Ende der Neutralität und Beitritt zu einem Militärbündnis im EU-Korridor wurde archiviert. Kommando zurück. Nun geht es also um Katastrophenschutz, Zivildienst und Ertüchtigung der jungen Männer, die den Landeshauptleuten wichtig sind. Nach aktuellem Umfragestand am Vorabend dieser demokratiepolitischen Farce geht das Match, ob nun die Landeschefs mit ihren befreundeten Medien oder der Werner-Faymann-Boulevard einflussreicher sind, offenbar zugunsten Erwin Prölls und zulasten der Dichand-Fellner-Allianz aus. Soll sein.

Interessanterweise dominieren taktische Überlegungen die gesamte Diskussion: Wer gegen billigen Populismus, die dazugehörigen Medien und für Raiffeisen ist, wählt Wehrpflicht, auch wenn er anderer Meinung ist. Wer das Bundesheer eigentlich nicht besonders mag, wählt ein Berufsheer, Norbert Darabos wird es schon ruinieren.

Aber darum geht es am Sonntag nicht, sondern um die Wahl zwischen zwei Varianten, die ohnehin von der nächsten Bundesregierung umgesetzt werden müssen. Die das Abstimmungsergebnis auch ganz anders vollziehen kann als gemäß dem Nichtmodell der ÖVP oder Darabos-Berufsheer. Dieses existiert ohnehin nur auf dem Papier und lässt sich nie derart kostengünstig realisieren. Ein gutes Berufsheer wäre teurer und – solange die Aufgaben von Katastrophen- bis Objektschutz reichen – auch personell größer als jetzt versprochen. Denn die von Darabos stets eingerechnete Miliz gibt es de facto kaum noch. Auch die Rekrutierung guter, junger Berufssoldaten wird schwieriger, der Ersatz für Zivildienst kostenintensiver, und der Abbau alter Unteroffiziere und Ausbildner wird härter als in der billigen Berufsheerpropaganda dargestellt.

Aber muss man deswegen den alten Zwangsdienst und die unprofessionelle Zeitverschwendung tausender Junger plötzlich gut finden? Muss man sich zwecks Distanzierung wirklich von Norbert Darabos, Wiener SPÖ und Boulevard zur Unterstützung der alten Wehrpflicht genötigt sehen? Soll man die Wehrpflicht nach so viel politischen Laientums einmeißeln, wie es Darabos einst gewünscht hat?

Nein.

Daher sollte man am Sonntag für das Berufsheer stimmen und mit der Stimme bei der folgenden Nationalratswahl dafür sorgen, dass Norbert Darabos nicht Verteidigungsminister bleibt und kein „Krone“-Kanzler mehr regiert. Und dass dann die ohnehin nicht mehr bestehende Neutralität auch offiziell endlich beerdigt wird. Und Österreich seinen Platz in einem sicherheitspolitischen und militärischen Bündnis wie der Nato findet.

Im Übrigen beweist diese Volksbefragung, wie frech und unsinnig die Verlängerung der Legislaturperiode war. Dazu wurden wir leider nicht befragt. Die Antwort wäre eindeutig gewesen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2013)

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