Der Lohn der Niedertracht

Der künftige Präsident Tschechiens, Miloš Zeman, verdankt seine Wahl einer beispiellosen antideutschen Schmutzkampagne gegen seinen Konkurrenten Schwarzenberg. Das fängt übel an.

Miloš Zeman zieht mit einem Makel auf die Prager Burg. Der hemdsärmelige Linkspopulist verdankt das tschechische Präsidentenamt nicht ausschließlich seiner Beliebtheit, sondern vor allem auch einer üblen Schmutzkampagne. In den letzten zwei Wochen vor der Stichwahl griff der Ex-Premier (1998 bis 2002) in der Auseinandersetzung gegen seinen liberal-konservativen Konkurrenten, Außenminister Karel Schwarzenberg, in die untersten Schubladen. Letztlich schaffte es Zeman ins höchste Amt, indem er sich dafür disqualifizierte.

Den kruden antideutschen Köder legte der Ex-Sozialdemokrat in einer TV-Debatte aus, als er Schwarzenberg vorwarf, Präsident Václav Havel einst geraten zu haben, sich bei den Sudetendeutschen für die Ausweisung nach 1945 zu entschuldigen. Der Fürst duckte sich nicht weg, er zeigte Rückgrat: Aus heutiger Sicht sei die Vertreibung der fast drei Millionen Deutschen aus der Tschechoslowakei eine schwere Verletzung der Menschenrechte, sagte er. Und: Heute müsste sich Präsident Edvard Beneš dafür in Den Haag verantworten. Mehr hatte Schwarzenberg nicht gebraucht. Ein Sturm der Empörung brach los, und Zeman verstärkte ihn. Im nächsten Duell sprach er Schwarzenberg das Recht ab, Staatsoberhaupt zu werden. Denn er rede wie ein „sudeták“ – so die abschätzige Bezeichnung für Sudeten.

Schützenhilfe erhielt Zeman ausgerechnet von seinem Ex-Gegenspieler: vom amtierenden Präsidenten Václav Klaus, dessen liberale Gesinnung sich schlagartig in chauvinistischen Beton verwandelt, sobald die Rede auf die Beneš-Dekrete kommt. Schwarzenbergs Äußerungen seien unverzeihlich, richtete Klaus aus. Er und seine Frau Livia gaben zudem allen Ernstes öffentlich zu bedenken, dass Schwarzenberg nicht sein ganzes Leben in Tschechien verbracht habe. Damit insinuierten sie, dass der Außenminister gar kein echter Tscheche sei, und das ist einfach nur niederträchtig. Denn Schwarzenberg, 1948 als Bub aus Prag vertrieben, hat sich wie kaum ein anderer um das Land verdient gemacht; erst als Unterstützer der Opposition vom Exil aus, dann nach der Wende als Ratgeber Havels, später als höchst anerkannter Chefdiplomat Tschechiens. Man mag Trost daraus ziehen, wie viele Stimmen der weltoffene und mutige 75-Jährige auf sich vereinigen konnte, obwohl er dieser Schlammflut ausgesetzt war. Niederschmetternd jedoch bleibt, wie leicht im Jahr 2013 alte nationale Gespenster aus dem Schrank geholt und erfolgreich als Wahlhelfer eingesetzt werden können.

Die Vertreibung nach 1945 war ein Unrecht, das nicht kleiner wird, weil die Nazis (und die allermeisten Sudetendeutschen haben für Konrad Henleins Nazi-affine Bewegung gestimmt) zwischen 1938 und 1945 ein noch viel größeres Unrecht in und an der Tschechoslowakei begangen haben. Vielen Tschechen ist das mittlerweile klar, dank der Arbeit von Historikern, Schriftstellern, Dokumentarfilmern und auch Politikern. Doch ein Konsens besteht noch nicht, und es wird ihn auch nicht geben, solange rücksichtslose Stimmenfänger wie der künftige Präsident die Sudetenfrage aus kurzfristigem Kalkül instrumentalisieren.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.