Ein EU-Budget im Zeichen der Quantenphysik

Allen buchhalterischen Tricks zum Trotz ist der Haushaltsentwurf der Union ein in Zahlen gegossener Ausdruck der europäischen Reformmüdigkeit.

Wenn nichts mehr weiterhilft, bleibt Wolfgang Schüssel als letzter Trost. So in etwa lässt sich der Versuch der österreichischen Delegation zusammenfassen, den Verhandlungen der EU-Budgetverhandlungen doch noch einen positiven Spin zu verpassen. Die von Kanzler Werner Faymann und seinen Getreuen gebetsmühlenartig vorgetragene Argumentationskette lautete dabei wie folgt: 1) Dem Gottseibeiuns der Sozialdemokraten ist es anno dazumal gelungen, als österreichischer Chefverhandler in Brüssel die Belastung für das heimische Budget im Finanzrahmen der Union von 2007 bis 2013 mit 0,33 Prozent der Wirtschaftsleistung zu deckeln. 2) Der aktuelle Vorschlag von Ratspräsident Herman Van Rompuy sieht für den Zeitraum 2014 bis 2020 für Österreich einen um zwei Hundertstel niedrigeren Prozentsatz vor. 3) Also schlägt Faymann Schüssel – und alles ist super.

Ganz so super ist der Ausgang natürlich nicht, denn aus jetziger Sicht (die sich angesichts der europäischen Dramaturgie noch ändern kann) müssen die Österreicher in der kommenden Budgetperiode Federn lassen. So wurde der Nachlass, den Wien als Ausgleich für den britischen Rabatt bisher erhalten hat, halbiert und auch bei den Agrarzuschüssen zeichnen sich Einbußen ab – obwohl diese mit einem Zuckerl von plus/minus 700 Millionen Euro versüßt werden sollen. Selbst die als Lichtblick hervorgehobene Schaffung eines Fonds zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit dürfte für Österreich wenig bringen, denn die wahren Teenagerdramen spielen sich nicht hierzulande ab, sondern am Südrand der Union.

Hat sich Faymann also über den Tisch ziehen lassen? Nein, denn angesichts der Tatsache, dass Österreich in den vergangenen Jahren zum drittreichsten Mitglied der EU aufgestiegen ist, war abzusehen, dass die Finanzlast größer werden würde. Die Frage war nur, wie sich diese Verschlechterungen halbwegs gut abfedern lassen – und das scheint, zumindest beim aktuellen Stand der Dinge, einigermaßen gelungen zu sein. Auch Berlin hat im Vorfeld eingesehen, dass die Fairness einen größeren Beitrag der Nettozahler gebietet. Dass Deutschland bei der Brüsseler Rabattschlacht halbwegs ungeschoren davongekommen ist, zeugt aber auch von den innereuropäischen Machtverhältnissen anno 2013: Wer den größten Prügel in der Hand hat, schafft an.

Apropos Prügel: Diese kassierten vor allem die Briten für ihre Unnachgiebigkeit bei den Obergrenzen des Finanzrahmens. Bei den Versuchen, David Cameron doch noch an Bord zu holen, stieß Van Rompuy in Dimensionen der budgetären Quantenphysik vor: Dabei ging es vor allem darum, die Differenz zwischen theoretischen und faktischen Zahlungsverpflichtungen so weit auszureizen, dass das EU-Budget (je nach Perspektive) gleichzeitig schneller und langsamer schrumpft.

Ob das EU-Parlament, das beim Etat zum ersten Mal mitentscheiden darf, die Sache auch so entspannt sieht, bleibt abzuwarten – vermutlich werden die Europaparlamentarier aber für ihre Zustimmung zu einem Deal des Rats Zugeständnisse fordern. Das muss allerdings nicht von Nachteil sein, im Gegenteil: Die in dem Kontext immer wieder ins Spiel gebrachte Idee einer ganzheitlicheren Haushaltspolitik unter dem Schlagwort der innerbudgetären „Flexibilität“ wäre zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung.

Dass selbst grundsätzlich sinnvolle Maßnahmen nicht ohne Geschacher angegangen werden können, zeugt allerdings davon, dass die EU in ihrer jetzigen Verfassung kaum reformfähig ist. Und das Budget ist der in Zahlen gegossene Ausdruck dieser Materialermüdung: Am meisten gespart wird dort, wo es nicht wehtut – nämlich bei der Zukunft. Daran werden auch jene sechs Milliarden für junge Jobsuchende wenig ändern, über die man sich in Wien freut.

Insofern ist diese Budgetdebatte auch ein Zeichen der Zeit: Fast scheint es so, also wäre es der größte Wunsch der Staats- und Regierungschefs, alles möge bleiben, wie es ist, bzw. sich ja nicht allzu sehr verschlechtern. Daran, dass die Zukunft auch besser werden könnte, denkt dieser Tage offenbar niemand mehr

E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2013)

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