Leitartikel: Der Papst resigniert - und macht den Weg frei für Neues

Resignieren Papstes
Resignieren Papstes(c) REUTERS (MAX ROSSI)
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Benedikt XVI. fühlt sich körperlich zu schwach, sein Amt weiter auszuüben. Die Ankündigung des Rückzugs beweist seine Größe - und kann Chancen eröffnen.

Jetzt also doch. Was Benedikt XVI. vor ein paar Jahren selbst angedeutet oder zumindest für sich nicht gänzlich ausgeschlossen hat, ist seit diesem denkwürdigen 11. Februar Gewissheit. Das für die allermeisten Katholiken schier Undenkbare geschieht tatsächlich. Der Papst will per 28. Februar, exakt um 20 Uhr - deutsche Gründlichkeit bis zuletzt - sein Amt zurücklegen, wie er am Montag seinen völlig verdutzten Kardinalskollegen und wenig später der Öffentlichkeit mitgeteilt hat.

Benedikt XVI. macht auf diese Art den Weg frei. Zuletzt hatte es den Anschein, dass er sich fast selbst ein wenig im Weg gestanden ist. Da gelang es dem Papst zwar in überaus beeindruckender Weise, manche Erstarrungen und Engführungen der Vergangenheit mit dem Hinweis auf den liebenden Gott zu konterkarieren, wie besonders in seiner ersten, bisher eher unterschätzen Enzyklika Deus caritas est schön nachzulesen ist. In vielem blieb der frühere bayerische Universitätsprofessor aber letztlich doch ein Gefangener seiner selbst, seiner Sozialisation und seiner Behutsamkeit, seiner Scheu vor Entscheidungen, ein Gefangener seines Amtes insgesamt, ein Gefangener der diesfalls schwer auf den Schultern des irdischen Chefs der Katholiken lastenden Tradition der Kirche. Oder dessen, was dafür gehalten wird. Das ist kein Vorwurf, menschlich zu verstehen, aber eben ein Faktum.

Benedikt XVI. macht den Weg also zumindest für die Chance eines von vielen Katholiken so sehnsüchtig erhofften neuen Anfangs in der katholischen Kirche frei. Er macht den Weg nicht zuletzt auch für eine dringend erforderliche Neuorganisation der vatikanischen Kurie frei, die gerade während der vergangenen Monate von immer unverhüllter geführten Diadochenkämpfen, zuweilen homoerotisch motivierten Intrigen und von Korruption schwer gebeutelt war.

Er macht den Weg für eine neue Form der Kommunikation mit der „Welt" frei. Denn wirklich verstanden hat der zarte Mann in Weiß mit dieser feinen Stimme und dem scharfen Intellekt die Welt offenbar nicht mehr. Und die Welt ihn nicht mehr. Manches ist Benedikt schlichtweg missglückt, wie der letztlich erfolglose Versuch, die kleine Pius-Bruderschaft wieder in die Gemeinschaft der katholischen Kirche zurückzuholen. Oder die von Teilen des Islam als Provokation empfundene Regensburger Rede. In den meisten Fällen aber war die zu jeder Tages- und Nachtzeit abrufbare, medial verstärkte Kritik am Papst, an diesem Papst besonders, bar jedes sachlichen Fundaments. Jetzt sieht sich Benedikt angesichts schwindender körperlicher Kräfte also gezwungen zu resignieren. Auch angesichts einer Welt, die er in seiner Rücktrittsankündigung vom Montag wörtlich als „hin- und hergeworfen" von Fragen sieht, die „für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind".

Als Theologe wird ihm sein Nachfolger, wer immer es auch sein wird, kaum das Wasser reichen können. Viele der locker mehrere Meter Bücherregale füllenden Schriften des wichtigen Beraters während des Zweiten Vatikanischen Konzils gehören zur Pflichtlektüre von Theologiestudenten und werden zumindest auch in der näheren Zukunft ein wichtiger Teil des einschlägigen Kanons bleiben.

Der nächste Papst wird sich aber ohnedies weniger mit irgendwelchen Fragen der Kirchenväter oder theologischen Nebenschauplätzen - um nicht zu sagen Spitzfindigkeiten - zu beschäftigen haben. Der 266. Nachfolger Petri wird in erster Linie als Seelsorger gefragt sein werden. Er wird sich den Problemen, Gegebenheiten und auch - und darauf wird gern vergessen hinzublicken - Aufbrüchen der heutigen Zeit in anderer, neuer Form stellen müssen. Undogmatisch, mit Ausrichtung auf die Botschaft Jesu, wie ihn die Bibel überliefert hat.

Leicht möglich, dass manche Antworten auf drängende Fragen dann anders gegeben werden als bisher. Es wäre wahrlich nicht das erste Mal in 2000 Jahren. Natürlich weiß das alles ein Mann wie Joseph Ratzinger. Deshalb hat er sich ja wohl auch zu diesem für ihn sicher alles andere als leichten, überaus spektakulären, in die (Kirchen-)Geschichte eingehenden Schritt entschieden. Und auch noch einmal im Abgang seine wahre Größe bewiesen.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12. Februar 2013)

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