Leitartikel: Ein guter Tag für die Große Koalition. Theoretisch

Leitartikel guter fuer Grosse
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Kärntens Neigungsgruppe Sumpf wurde abgewählt. In einen Linksruck lässt sich dies nicht umdeuten. Und Erwin Pröll hat einen Erfolg, der ihn entspannter machen sollte.


Eine gigantische Wahlkampagne und das Fehlen ernsthafter Konkurrenten mögen auch zwei der Ursachen für den Erfolg Erwin Prölls sein. Sein derbes Charisma, seine Lust an der Machtausübung und seine hart erarbeitete Omnipräsenz haben ihm noch einmal die absolute Mehrheit eingebracht. Das Ergebnis ist nur sein Erfolg: Trotz finanzieller Turbulenzen, trotz Unbehagens über die Machtfülle der Landespartei und trotz des Antretens von Frank Stronach, der die Unterstützung und Inseratengeschäftsbeziehung mancher Medien und Journalisten genießt, hält Pröll fast sein altes Ergebnis. Das ist ein Kunststück, das ihm sonst keiner - Gruß aus St. Pölten an Michael Häupl nach Wien - so schnell nachmacht.

Der andere klare Wahlsieger ist Peter Kaiser, oder besser: die Vernunft. Denn der redliche Spitzenkandidat der SPÖ übernimmt das Amt des Landeshauptmannes vor allem deswegen, weil die Mehrheit der Kärntner genug von den korrupten, selbstherrlichen Erbpächtern Jörg Haiders hat. Genau darin liegt der Auftrag an die neue rot-schwarz-grüne Koalition in Klagenfurts Landhaus - in der Regierung sitzen wegen des Proporzes die Freiheitlichen weiterhin: das Land finanziell und strukturell zu gesunden und von Grund auf zu reformieren. Die Stimmung im Land wird - gestützt von lokalen Medien - dabei helfen. Die Gefahr besteht in der Selbstüberschätzung Kaisers: Die Ambition, das Land mittels neuer Ausgaben sozialdemokratischer zu gestalten, wird jeden Tag wachsen. Dass Wolfgang Waldner, Gabriel Obernosterer und die Landes-ÖVP nur ein kleines Minus erlitten, ist eine von mehreren Überraschungen und zeigt, dass ein Neustart immer funktionieren kann - selbst nach Korruptionsfällen in den eigenen Reihen.

Für einen Politiker ist der Wahlausgang eine Katastrophe: Heinz-Christian Strache hat mit Frank Stronach einen Konkurrenten, der ihm massiv Proteststimmen abnimmt und abnehmen wird. Selbst wenn bis zur Nationalratswahl viel Wasser Donau und Drau hinunterfließt - was wurde etwa aus den Piraten? -, die Zeiten, in denen die FPÖ gegen Rot-Schwarz automatisch von Wahl zu Wahl zulegte, sind vorbei. Wer Strache und seine Partei kennt, weiß, was die Panik dieses Sonntags bringen kann und leider wird: eine Verschärfung in Argumentation und Wahlkampf. Strache wird in der ihm eigenen schrägen Logik auch wieder Stimmung gegen Ausländer machen. Schon weil Stronach darauf verzichtet . . .

Können die beiden Regierungsparteien also einen Wahlsieg feiern? Immerhin hatte die SPÖ noch nie eine solche Machtfülle wie seit gestern, Sonntag: Sie stellt den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und erstmals fünf Landeshauptleute. (Vielleicht nach Salzburg wieder nur vier.) Immerhin verteidigte der mächtigste ÖVP-Politiker seine absolute Mehrheit und konnte sich ausgerechnet die Kärntner ÖVP noch halbwegs halten. Das nach gewonnener Wehrpflichtabstimmung. Rückenwind für Werner Faymann und Michael Spindelegger also? Nicht, wenn sie so weitermachen.

Aus Niederösterreich kommt die Botschaft, zu regieren und zu entscheiden, notfalls gegen jeden Widerstand. Im Falle St. Pöltens geht dieser gegen den Bund, die Bundesregierung müsste gegen die eigenen Klientelen ziehen. Aus Kärnten lautet die Nachricht: Die Wähler haben genug von Günstlingswirtschaft, Selbstdarstellung auf Steuergeld und Personalentscheidungen nach Parteibuch beziehungsweise Cliquenzugehörigkeit. Genau das steht aber - eleganter - auf dem Wiener Parkett auf der Tagesordnung.

Eine der vielleicht interessantesten Auswirkungen beschrieb ein nicht unwichtiger ÖVP-Mitarbeiter wie folgt: „Damit lässt uns Erwin Pröll wenigstens in Ruhe." Der fromme Wunsch mag verständlich sein, zeugt aber von einem tiefen Missverständnis: Nur wenn Pröll die Bundespartei ernst nähme, sie bei bundesweiten Reformvorhaben unterstützte, könnte Michael Spindelegger Luft bekommen. Pröll hat sich mit dem Wahlergebnis endgültig in die niederösterreichischen Geschichtsbücher eingemeißelt. Will er in die österreichischen, könnte er nun den reformwilligen Großonkel aus St. Pölten geben. Es muss ja nicht gleich die Hofburg sein.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2013)

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