Gibt es intelligentes Leben in der Eurozone?

Die Hauptmessage der dummdreisten Zypern-Rettung vom Wochenende lautet: Die Einlagensicherung für Sparguthaben ist ab sofort reine Fiktion.

Die Rettung Zyperns bestätigt, dass es keine Anzeichen für intelligentes Leben in Europa gibt.“ Dieser Satz aus einem Kommentar der spanischen Zeitung „El País“ fasst den jüngsten Streich der Euro-Gruppe wohl am besten zusammen. Die Finanzminister der Eurozone haben am Wochenende jedenfalls die Aufgabenstellung „Finden Sie die dümmste, vertrauensschädigendste und marktfernste Variante, einem Schwarzgeldparadies im östlichen Mittelmeer ein paar Milliarden zuzuschieben“ mit Bravour gemeistert.

Nach derzeitigem Stand werden also die europäischen Steuerzahler und die zypriotischen Sparer die Rettung der zypriotischen Pleitebanken bezahlen, während deren Aktionäre und Geldgeber ungeschoren davonkommen. Auf die Idee muss man erst einmal kommen.

Auch wenn das Paket vielleicht noch abgeschwächt wird, die kleinen Sparer mit einem blauen Auge davonkommen und die (überwiegend ausländischen) Eigner der Zypern-Banken doch noch einen symbolischen Beitrag leisten müssen: Der Tabubruch ist begangen. Wir wissen jetzt: Die Einlagensicherung, die eurozonenweit Spareinlagen bis 100.000 Euro sichern sollte, ist reine Fiktion. Sie können unser Erspartes jederzeit einsacken. Und sie werden es bei größeren Problemen auch tun – wenn sie schon bei so relativ kleinen wie der Zypern-Hilfe jeden Genierer vermissen lassen.

Dass jetzt Politiker wie die deutsche Bundeskanzlerin und Beschwichtigungsgouverneure aus den Notenbanken zu kalmieren versuchen und vom „Sonderfall“ Zypern reden, macht die Sache nicht mehr besser. Die Kuh ist aus dem Stall, die Glaubwürdigkeit dahin. Es stimmt schon, Deutschland und Österreich werden so bald nicht betroffen sein. Bei Krisenländern wie Spanien oder Italien sieht das aber schon anders aus. Wer die Reaktionen verfolgt, sieht, dass die Vorgänge in Zypern dort sehr ernst genommen werden.

Natürlich, die Eurozone, speziell Deutschland, stand unter starkem politischen Druck. Zypern ist EU-Mitglied und hat als solches Anspruch auf solidarische Hilfe im Notfall. Der „Sonderfall“ besteht wohl darin, dass der Inselstaat in den vergangenen Jahren als „Geldwaschsalon“ für meist russische Oligarchen gut verdient hat. Die übliche EU-Rettungsaktion hätte also bedeutet, dass europäische Steuerzahler Vermögensschäden von russischen „Investoren“ abwenden. Das wäre speziell den etwas rettungsmüden deutschen Steuerzahlern nicht mehr zu verklickern gewesen.

Eine entsprechende (den Regeln der Marktwirtschaft folgende) Rettungsaktion hätte also so aussehen müssen: Zuerst bluten die Aktionäre der betroffenen Banken. Sie haben schließlich bewusst das Unternehmerrisiko übernommen, und sie sind es auch, die in guten Zeiten die Gewinne abschöpfen. Sollte das nicht reichen, werden die Zeichner der Bankenanleihen, die den Instituten direkt Geld geborgt haben, herangezogen. Und zuallerletzt wird dann auf große Einlagen zurückgegriffen. Die auch in Zypern garantierten 100.000 Euro sind aber tabu.

Gemacht hat man das Gegenteil. Plakativ gesagt: Bluten muss der Mindestrentner mit seinem Spargroschen (falls nicht noch ein Freibetrag eingeführt wird), verschont werden dagegen die berühmten Oligarchen. Denn diese haben normalerweise nicht Sparbücher, sondern Unternehmensbeteiligungen. Der größte Einzelaktionär der größten zypriotischen Bank ist beispielsweise (über eine Karibik-Holding, versteht sich) der russische Oligarch Dmitrij Rybalovlev. Als Aktionär hat er nach derzeitigem Stand keine Nachteile zu befürchten. Super, nicht?

Eine marktferne Bankenrettung à la Eurozone also. Eine, wie sie in der Eurozone durchaus die Regel ist. Dafür sorgen schon die diversen Bankenlobbys, die die Finanzministerien offenbar effizient unterwandert haben.

Jede Region hat eben die Politiker, die sie verdient. Wenn aber Umfragen demnächst wieder ein bisschen mehr Europa-Müdigkeit ergeben, dann sollte man bedenken: Der Europa-Gedanke wird derzeit nicht von vulgärpopulistischen Parteien umgebracht, sondern vom innersten Kern einer abgehobenen Politelite, die offenbar jedes Gespür für das Machbare verloren hat. Seite 1

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.