Endstation rotes Österreich? Über die Hegemonie der SPÖ

Mit Peter Kaiser gehört seit Donnerstag der fünfte Landeshauptmann der Sozialdemokratie an. Nie war die SPÖ ähnlich mächtig. Zumindest theoretisch.

Der Gründonnerstag des Jahres 2013 markiert einen historischen Tag. Ja genau, auch weil Papst Franziskus seine traditionelle Gründonnerstagsmesse mit Fußwaschung am Abend außerhalb glanzvoller römischer Basiliken eher auf die nüchterne Art in einem Jugendgefängnis zelebriert hat. Aber eben nicht nur deshalb. Heute wollen wir an dieser Stelle die Untiefen der österreichischen Politik durchmessen.

Da hat sich an diesem Donnerstag – was nicht gerade in hyperinflationärem Ausmaß geschieht – tatsächlich Einmaliges ereignet. Mit 30:6 Stimmen haben die Mandatare des Kärntner Landtags Peter Kaiser zum Nachfolger des künftigen Bundesrat-Stars Gerhard Dörfler als Landeshauptmann gewählt. Und 5:4 lautet ab sofort das Machtverhältnis zwischen SPÖ und ÖVP in dieser Runde der wirklich Mächtigen. Die Sozialdemokraten stellen die Nummer eins des Landes in Wien (naturgemäß im Dauerabo-Modus), im Burgenland, in der Steiermark, in Salzburg (noch im knapp vor Verlängerung oder Kündigung stehenden Probeabonnement) und jetzt eben in Kärnten.

Das ist nicht nur nicht nichts. Das bedeutet einen Rekord. Noch nie in der Zweiten Republik war die SPÖ so erfolgreich. Selbst während der Zeit von Bruno Kreiskys legendärer absoluter Mehrheit im Nationalrat war die SPÖ in den Ländern schwach aufgestellt. Mehr noch: Der „Sonnenkönig“ musste sich sogar aufgrund der Ergebnisse der Landtagswahlen, die oft zu einem Protest gegen Wien umfunktioniert wurden, mit einer ÖVP-Mehrheit in der sogenannten Länderkammer, im Bundesrat also, herumschlagen. (Da taucht er schon wieder auf, der viele ratlos machende Bundesrat. Es wird kein drittes Mal passieren, versprochen!) Und erst recht musste sich Kreisky mit einem als „Sozialistenfresser“ denunzierten (ob er das selbst als Denunziation qualifizieren würde?) ORF-General Gerd Bacher herumschlagen.

Heute ist alles ganz anders. Noch nichts von Bundespräsident Heinz Fischer gehört? Oder Bundeskanzler Werner Faymann? Und Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny? Von ORF-Chef Alexander Wrabetz? Werner Faymann, der Boss der Genossen, müsste sich über die realpolitische Landkarte des Landes freuen. Willkommen, rotes Österreich! Endstation rotes Österreich? Dass er es nicht wirklich tut, hat einen trivialen Grund: Gerade manche „seiner“ Landeshauptleute machen ihm intern das Leben schwer.

Und Michael Spindelegger? Der ÖVP-Chef blickt offenbar fasziniert nach Rom. Franziskus hat es ihm wie nicht wenigen angetan, die sich in erster Linie eher christlich-sozial als bürgerlich-liberal definieren. Die Betonung der Option für die Armen durch den Pontifex, der aus Argentinien gekommen ist, darf nicht nur innerhalb der Kirche als eine Provokation verstanden werden. Diese Ansage muss auch Strategen der ÖVP hochgradig nervös machen, die wissen, dass ihre Treuesten der Treuen neben den Bauern unter den regelmäßigen Kirchgängern zu finden sind.

Natürlich ist es diesbezüglich Zufall (aus wahltaktischen Gründen wieder nicht), dass das Thema billiges Wohnen gerade jetzt auf der Agenda der ÖVP auftaucht. Ironie der Geschichte: Die Präsentation des mutmaßlichen schwarzen Wahlkampf-Blockbusters wurde in den Spätausgaben aller Zeitungen von einem anderen Ereignis verdrängt – ausgerechnet von der Wahl des neuen Papstes.

Genuin gern als bürgerlich bezeichnete Issues – warum sagen wir es nicht: rechte Themen – geraten derzeit im politischen Diskurs ins Hintertreffen. Die da wären: Bekenntnis zu Leistung, Eigenverantwortung, Sicherheit, Eigentum. Ob die ÖVP – völlig unabhängig davon, ob es jetzt im Land eine sozialdemokratische Hegemonie gibt oder nicht – mit einem, wenn auch nur ganz vorsichtigen Ruck nach links Wahlen gewinnen wird? Eher nein. Österreich ist und bleibt bis zum Beweis des Gegenteils intensiv sozialdemokratisch geprägt – nur zwei Stichwörter: Höhe der Schulden und der Abgabenquote. Alternative Politikansätze sind daher umso gesuchter.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2013)

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