Ja, es gibt auch gute Nachrichten. Weltweit wurden Konflikte zumindest ruhend gestellt. Auch der Euro lebt noch. Fast verwunderlich.
An diesem Ostersonntag wird Franziskus, den die deutschsprachigen Bischöfe seltsam dünkelhaft nicht Franz zu nennen wagen, wieder im Mittelpunkt stehen. Wird er erneut das Zeremoniell dezent brechen? Sympathisch den Anwalt der Armen geben? Die versammelte Medienschar hofft darauf.
Dabei ist die eigentliche Medienshow mit dem Schwarz-Weiß-Rauch-TV vom Petersplatz, einem quotenbringenden Überraschungskandidaten und der anschließenden Schnellschusskategorisierung „konservativ-antikapitalistisch“ schon längst über die Bühne gegangen. Schnell wurden noch ein paar Bibliotheksrecherchen angestellt: Laut diesen dürfte der neue Papst während der argentinischen Militärjunta zumindest keine rühmliche Rolle gespielt haben. Wie Argentinien, und damit wohl auch der neue Papst, mit der Verantwortung für die eigene schwierige Vergangenheit umgeht – zu einem großen Teil kritisch, teilweise sehr verharmlosend –, wurde kaum berichtet. Genau dies ist aber die Frage, die in der sogenannten Friedensforschung gestellt wird: Wie geht man mit der eigenen Geschichte, den eigenen Wunden und Untaten um?
Die unterschiedliche Deutung der Geschichte in vielen Ländern hat zur Folge, dass zwar Konflikte ruhend gestellt, aber viel schwerer gelöst werden können. Das gegenseitige Misstrauen, der alte Hass und nicht selten die Hoffnung auf Rache sind dieser Tage aus Vukovar ebenso zu hören wie aus Belfast oder Sri Lanka. Ein brüchiger Friede also, der viel Aufmerksamkeit kostet, und, wie etwa auf dem Golan oder im Kosovo, mittels UNO-Missionen auch viel Geld. Dieser Preis, diese internationale Verantwortung, wird nicht kleiner, sondern größer werden.
Dass Österreich namens des Bundeskanzlers auch nur andenkt, diese Heeresmission auf dem Golan möglicherweise zu reduzieren oder einzustellen, ist ein Skandal. Dass der neue Verteidigungsminister davon nichts wissen oder hören will, lässt hoffen.
Die Rechnung Friede zum Nulltarif gibt es einfach nicht. Das gilt auch für die alten Tyrannenregime, die von Medien besonders gern mit der üblichen Mischung von Faszination und Abscheu begleitet werden: Der eigentümliche Herr Kim Jong-un wird erst dann aufhören zu drohen und zu drangsalieren, wenn ihn die USA oder China – an die internationale Staatengemeinschaft glaubt nicht einmal zu Ostern jemand – dazu wirtschaftlich oder militärisch zwingen.
Verantwortung wird auch in Europa und da wieder mithilfe der Medien verdrängt und vergessen. So dilettantisch und psychologisch falsch das ursprüngliche Vorhaben der EU-Finanzminister auch war, Sparern unter der 100.000-Grenze einen Beitrag zur Vermeidung des zyprischen Kollapses abverlangen zu wollen, so sehr stimmt doch die Richtung. Die Bevölkerung Zyperns muss ebenso wie jeder Anleger zur Kenntnis nehmen, dass eine derartige Krise des ganzen Landes auch von der Bevölkerung mitverantwortet werden muss.
Denn selbst wenn es niemand gern hört: In Spanien, Griechenland und Zypern haben sehr viele sehr lange weit über die Verhältnisse gelebt. Das will nicht zu den sicher richtigen Reportagen über die neue Armut in den Krisenländern passen, ist aber dennoch wahr. Über den Konsumrausch und die Anschaffungen in den Jahren vor der Krise berichtete interessanterweise kaum jemand. Dass etwa Haushalte in Spanien und Italien vermögender als österreichische oder deutsche sind, wie vor wenigen Tagen in einer Studie der Bundesbank zu lesen war, wurde kaum gehört. Eher schon die Kritik an der Studienmethode.
Die allerjüngsten Zahlen aus Europa zeigen übrigens auch, dass die heftig kritisierte und teilweise sehr strenge Austeritätspolitik greift: Griechenland ist gerade dabei, sein strukturelles Defizit langsam in den Griff zu bekommen. In einigen Jahren – und ohne Abkehr vom Kurs – würde dieses Land besser dastehen als Österreich.
Es steht nicht zu befürchten, dass Papst Franziskus am Sonntag über diese Verantwortung der Länder, der Politik und ihrer Bürger spricht. Das wären zu negative Botschaften. Aber wahre.
E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2013)