Die Steuerinquisition verbrennt auch kleine Sünder

Wenn wir lieber in einem Steuerspitzelstaat als in einer "bösen" Steueroase leben wollen, sollten wir das Bankgeheimnis schleunigst abschaffen.

Jetzt hat Österreich ein Wahlkampfthema mehr: SPÖ-Kanzler Faymann findet, dass wir uns einer europäischen Steueroasendebatte nicht mehr verschließen können und einen gemeinsamen Weg mit Deutschland einschlagen müssen. Die ÖVP beharrt auf dem Status quo. „Weil das bei uns so Tradition ist“, ließ Finanzministerin Fekter am Wochenende ausrichten. Jede Partei bedient ihre Klientel. Beide rechnen damit, dass das Bankgeheimnis nach der Wahl ohnehin obsolet ist. Spätestens wenn die Verhandlungen mit den USA in die heiße Phase kommen. Kein Experte glaubt allen Ernstes, dass Österreich besser aussteigen wird als die Schweiz. Und die Eidgenossen haben bekanntlich auf Druck der mächtigen Amerikaner längst die Konten amerikanischer Anleger für den US-Fiskus geöffnet.

Tatsächlich fragen sich viele, warum sich Österreich noch immer ins Schmuddeleck mit Steueroasen wie den Cayman Islands stellen lässt, wenn es doch ohnehin nur um die Konten von Ausländern geht, die bei uns ihr Geld vor deren Fiskus verstecken. Sollen die Deutschen doch auf die österreichischen Konten deutscher Bürger zugreifen. Sollen die Amerikaner doch ihren Landsleuten auch bei uns nachschnüffeln. Für Österreicher, die ihr Geld in Österreich liegen haben, hätte das doch keine Auswirkung. Genau mit dieser Begründung werden österreichische Politiker spätestens nach der Wahl im Herbst dem internationalen Druck nachgeben.

Ein paar Annehmlichkeiten werden dann leider wegfallen. Die 53 Milliarden Euro, die Schätzungen zufolge von Ausländern nach Österreich getragen werden, werden schneller abgezogen sein, als die Finanzministerin das Wort Steuererhöhung buchstabieren kann. Und irgendwer wird wohl das nette Sümmchen kompensieren müssen, das der Fiskus den ausländischen Anlegern abknöpft. Denn die zahlen natürlich trotz Anonymität ordentlich Quellensteuer. Diese fließt zwar zum Großteil in die Heimatländer der ausländischen Anleger zurück. Einen hübschen Obolus behält sich freilich die österreichische Finanz.

Womit wir bei der spannendsten Frage wären: Wie lange werden die österreichischen Politiker den Kollegen in Deutschland und Frankreich beim Scheren ihrer Steuerschäflein wohl zuschauen? Wie viele Budgetdefizite wird das „österreichische Bankgeheimnis“ für Österreicher dann noch überleben?

Was heute mit der Aufweichung des Bankgeheimnisses für Ausländer beginnt, ist der erste Schritt in Richtung deutscher Zustände. Was Deutschland und Frankreich als „europaweite Steuerharmonisierung“ verkaufen, ist nichts anderes als das Ende jeglichen Steuerwettbewerbs und führt schnurstracks zum gläsernen Bankkunden nach preußischem Muster.

Dort klicken sich unzählige Behörden schon jetzt völlig ungeniert in die Konten ihrer Bürger ein. Nicht etwa, um schwerreiche Steuerhinterzieher zu jagen. Nicht etwa, um an die Geldsäcke berüchtigter Finanzjongleure zu gelangen. Wer sind denn die Unholde, denen der deutsche Amtsschimmel nachgaloppiert? Es sind heimtückische Studenten, die mehr dazuverdienen, als ihre Studienbeihilfe erlaubt. Es sind schmarotzerische Familien, die um Mietzuschüsse ansuchen, obwohl ihr Einkommen um ein paar hundert Euro zu hoch ist.

Solcherlei Amtshandlungen haben laut Statistik in jüngster Zeit dramatisch zugenommen. Millionenschwere Steuerbetrüger werden so eher selten erwischt. Und noch seltener werden mit höheren Steuereinnahmen Budgets saniert. Ganz im Gegenteil. Vater Staat tendiert leider dazu, das mühsam eingetriebene Geld mit beiden Händen wieder auszugeben.


Es geht also nicht um ein Ja oder Nein zum Bankgeheimnis. Es geht um die Frage, wie sich Österreich positioniert. Orientiert es sich an Ländern wie Frankreich, die trotz hoher Steuern horrende Defizite fabrizieren? An Deutschland, das um den Preis einer Fiskalinquisition heuer womöglich einen winzigen strukturellen Budgetüberschuss schafft? Oder doch an der „bösen“ Steueroase Schweiz, die in Krisenzeiten Budgetüberschüsse produziert? Weil sie auf einen effizienten und schlanken Staat setzt, statt unentwegt darüber nachzudenken, wie und wo sie mehr Steuern eintreiben kann.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2013)

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